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Heiterer Frühling

Von

Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,
Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.
Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,
Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.

An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,
Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.
Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,
Ein Kind steht in Konturen weich und lind.

Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,
Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.
Hell Grünes blüht und anderes verwest
Und Kröten schliefen durch den grünen Lauch.

Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.
Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.
Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.

In Gärten sinken Glocken lang und leis
Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt
Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.

Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!
In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl
Und Knospen knistern heiter dann und wann.

Wie scheint doch alles Werdende so krank!
Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
Und öffnet das Gemüte weit und bang.

Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.

So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
Und leise rührt dich an ein alter Stein:
Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
O Mund! der durch die Silberweide bebt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Heiterer Frühling von Georg Trakl

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Heiterer Frühling“ von Georg Trakl, ein Vertreter des Expressionismus, offenbart auf den ersten Blick eine Idylle, die jedoch tiefgreifende melancholische Untertöne trägt. Der Titel, der Heiterkeit suggeriert, steht im Kontrast zu den beschreibenden Bildern von Verfall, Krankheit und Tod, die das Gedicht durchziehen. Trakl webt ein komplexes Netz aus Gegensätzen: Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung, Schönheit und Verfall, die ineinander verschmelzen und die Fragilität des menschlichen Daseins widerspiegeln.

Die Landschaftsbeschreibungen sind von einer eigenartigen Melancholie geprägt. Bilder wie das „dürre Rohr vom vorigen Jahr“, der „warme Mist“ und der „schwarze Dornenstrauch“ deuten auf eine Atmosphäre der Vergänglichkeit und des Zerfalls hin. Gleichzeitig gibt es Momente von Schönheit und Zartheit, wie die „Kätzchen sacht im Wind“, das „hell Grüne“ und das „sanfte Korn“. Diese Gegensätze verstärken die emotionale Wirkung des Gedichts und erzeugen ein Gefühl der Beklemmung. Das Gedicht beschreibt eine Welt, in der sowohl Leben als auch Sterben, Freude und Leid untrennbar miteinander verbunden sind.

In den letzten Strophen des Gedichts deutet sich eine zaghafte Hoffnung an. Die Zeilen „Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!“ und „Die Liebenden blühn ihren Sternen zu“ lassen ein Sehnen nach Trost und Geborgenheit erkennen. Der „sanfte Geist“ und der „Odem durch die Nacht“ scheinen eine Verbindung zur Transzendenz, zu etwas Höherem, darzustellen, was dem Leid einen Sinn verleihen kann. Das Gedicht endet mit einer Verheißung: „Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.“, die den Leser mit einer Ahnung von Trost und ewiger Verbundenheit zurücklässt.

Trakls Sprache ist von einer besonderen Intensität geprägt. Die Verwendung von Bildern, die oft im Widerspruch zueinander stehen, erzeugt eine beunruhigende Atmosphäre. Wiederholungen, wie die des „Heiter“ und der „Goldenen Last“, verstärken die Eindringlichkeit. Das Gedicht ist ein Ausdruck des menschlichen Zustands, des Kampfes mit der eigenen Sterblichkeit und der Suche nach Trost in einer Welt voller Widersprüche. Trakl gelingt es, eine Atmosphäre der Trauer, der Hoffnung und des Erstaunens zu erzeugen, die den Leser tief berührt und zum Nachdenken anregt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.