Logo der Website, Schriftzug "Poesie Oase" mit Palmen umrandet.
, , ,

XVII.   Owê, war umbe volg ich tumbem wâne

Von

I

Owê, war umbe volg ich tumbem wâne,
der mich sô sêre leitet in die nôt?
ich schiet von ir gar aller vröiden âne,
daz sî mir trôst noch helfe nie gebôt.
Doch wart ir varwe liljen wîz und rôsen rôt,
und saz vor mir diu liebe wolgetâne,
geblüet reht alsam ein voller mâne:
daz was der ougen wunne und des herzen tôt.

II

Mîn staeter muot gelîchet niht dem winde.
ich bin noch, als sî mich hât verlân,
vil staete her von einem kleinen kinde,
swie wê si mir nu lange hât getân,
Als swîgende iegenôte, und ein verholner wân.
wie dicke ich mich der tôrheit underwinde,
swanne ich vor ir stân und sprüche ein wunder vinde,
und muoz doch von ir ungesprochen gân?

III

Ich hân sô vil gesprochen und gesungen,
daz ich bin müede und heis von der klage.
in bin umbe niht wan umb den wint betwungen,
sît sî mir niht geloubet, daz ich sage,
Wie ich si minne, und wie ich ir holdez herze trage.
deswâr, mirn ist nâch werde niht gelungen.
hete ich nâch gote ie halp sô vil gerungen,
er naeme mich zuo zim. ach mîner tage!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: XVII.   Owê, war umbe volg ich tumbem wâne von Heinrich von Morungen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Owê, war umbe volg ich tumbem wâne“ von Heinrich von Morungen beschreibt die verzweifelte Situation eines Liebenden, der von seinen eigenen Gefühlen und der unerwiderten Liebe gefangen ist. In der ersten Strophe klagt der Sprecher über die „tumbem wâne“ (dummen Gedanken) und den Schmerz, den seine Liebe ihm zufügt. Er fühlt sich von seinen eigenen Sehnsüchten in die Not getrieben, da die Geliebte ihm weder Trost noch Hilfe bietet. Die Liebe wird idealisiert: Die Geliebte erscheint in der Vorstellung des Sprechers wie eine „liljen wîz und rôsen rôt“ (weiße Lilie und rote Rose), Symbole für Schönheit und Reinheit. Doch trotz dieser idealisierten Darstellung bleibt sie unerreichbar, und der Sprecher fühlt sich von dieser Vorstellung gleichermaßen beglückt und zerstört. Der „voller mâne“ (voller Mond) steht als Symbol für das unerreichbare Ziel seiner Sehnsucht, das sowohl eine Quelle der Freude als auch des Schmerzes ist.

In der zweiten Strophe äußert der Sprecher seine innere Zerrissenheit. Sein „staeter muot“ (standhafter Mut) ist nicht im Einklang mit den äußeren Umständen, da er von der Geliebten immer wieder enttäuscht wird. Der Vergleich mit einem „kleinen kinde“ (kleinen Kind) deutet darauf hin, dass er sich in seiner Unfähigkeit, mit der Situation umzugehen, hilflos fühlt. Trotz seines Wissens, dass seine Liebe unerwidert bleibt, kann er sich nicht von seinen Gefühlen lösen. Der „swîgende iegenôte“ (schweigende Gefährte) und „verholner wân“ (verdeckter Wahn) symbolisieren die innere Isolation des Sprechers, der zwar vor der Geliebten steht, aber keine Worte der Liebe aussprechen kann. Die Sehnsucht und das Schweigen führen zu einem Zustand der Verwirrung und der inneren Unruhe.

Die dritte Strophe verstärkt das Bild der Verzweiflung. Der Sprecher hat „sô vil gesprochen und gesungen“, aber all seine Bemühungen, die Geliebte für sich zu gewinnen, bleiben unerhört und erfolglos. Er fühlt sich von seinen eigenen Gefühlen „umb den wint betwungen“ (vom Wind umhergetrieben), was auf die Sinnlosigkeit seiner Anstrengungen hinweist, da die Geliebte seine Liebe nicht erwidert. Das „gesange“ (Gesang) und „klage“ (Klage) sind Ausdruck seines inneren Kampfes, den er umsonst führt. Trotz seiner Bemühungen bleibt ihm der Trost verwehrt, und der Sprecher fühlt sich, als ob seine Liebe von Gott nicht erhört wird. Die Zeile „er naeme mich zuo zim“ (er nehme mich zu sich) deutet auf die tiefe Verzweiflung hin, die den Sprecher letztlich in einen Zustand der Resignation führt.

Das Gedicht illustriert auf eindrucksvolle Weise das Thema der unerfüllten Liebe und der inneren Zerrissenheit eines Liebenden, der von seinen eigenen Gefühlen überwältigt wird. Heinrich von Morungen zeigt die tief verwurzelte Ambivalenz der Liebe – sie kann sowohl eine Quelle der Freude als auch des Leids sein. Die Geliebte bleibt ein unerreichbares Ideal, das den Sprecher gleichermaßen erhebt und zerstört.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.