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IV.   In sô hôher swebender wunne

Von

I

In sô hôher swebender wunne
sô gestuont mîn herze ane vröiden nie.
ich var, als ich vliegen kunne,
mit gedanken iemer umbe sie,
Sît daz mich ir trôst enpfie,
der mir durch die sêle mîn
mitten in daz herze gie.

II

Swaz ich wunneclîches schouwe,
daz spile gegen der wunne, die ich hân.
luft und erde, walt und ouwe
suln die zît der vröide mîn enpfân.
Mir ist komen ein hügender wân
und ein wunneclîcher trôst,
des mîn muot sol hôhe stân.

III

Wol dem wunneclîchen maere,
daz sô suoze durch mîn ôre erklanc,
und der sanfte tuonder swaere,
diu mit vröiden in mîn herze sanc,
Dâ von mir ein wunne entspranc,
diu vor liebe alsam ein tou
mir ûz von den ougen dranc.

IV

Saelic sî diu süeze stunde,
saelic sî diu zît, der werde tac,
dô daz wort gie von ir munde,
daz dem herzen mîn sô nâhen lac,
Daz mîn lîp von vröide erschrac,
und enweiz von liebe joch,
waz ich von ir sprechen mac.

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Gedicht: IV.   In sô hôher swebender wunne von Heinrich von Morungen

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „In sô hôher swebender wunne“ von Heinrich von Morungen beschreibt die überwältigende und ekstatische Wirkung der Liebe auf das lyrische Ich. In der ersten Strophe beschreibt der Sprecher seine Gefühle, als er von der Liebe erfüllt ist. Die „hôher swebende Wunne“ (höher schwebende Freude) hebt das Herz des Sprechers, der jedoch ohne echte Freude lebt, solange er nur in Gedanken bei der Geliebten ist. Diese Gedanken an sie geben ihm Trost, der ihm wie ein heilender Pfeil in sein Herz trifft, was die tiefe Wirkung ihrer Präsenz und die innere Zerrissenheit des Sprechers widerspiegelt. Die Freude ist ein Zustand, den er in Gedanken zu erreichen versucht, aber nur unvollständig genießen kann.

In der zweiten Strophe entfaltet sich die Vision einer idealen Welt, in der alle Dinge – Luft, Erde, Wälder und Weiden – die Freude des Sprechers widerspiegeln. Diese Umgebung wird zur metaphorischen Darstellung seiner Liebe, in der selbst die Natur von der Liebe durchdrungen ist. Ein „hügender Wân“ (schützender Wind) und ein „wunneclîcher trôst“ (wunderbarer Trost) symbolisieren den Zustand der Erhebung und des Glücks, der den Sprecher in eine himmlische Sphäre der Freude und des Trostes führt. Die Liebe hat eine solche Macht, dass sie seine ganze Wahrnehmung und sein Innerstes verändert.

Die dritte Strophe intensiviert diese Vorstellung, indem der Sprecher von der süßen, nahezu göttlichen Musik der Liebe spricht, die durch seine Ohren dringt und in seinem Herzen singt. Der „sanfte Tuonder“ (sanfter Ton) und der „swaere“ (schwere, vielleicht schwere, angenehme Last) im Herzen des Sprechers erzeugen ein unvergessliches Gefühl von Glück und Liebe. Dieser Klang löst in ihm eine Welle der Freude aus, die ihn emotional und körperlich berührt. Die Liebe wird hier als ein fast mystischer Zustand dargestellt, der sowohl körperlich als auch geistig erlebt wird und eine starke, heilende Wirkung auf das Innerste des Sprechers hat.

In der letzten Strophe wird die Glückseligkeit des Moments beschrieben, in dem die Geliebte mit ihrem Wort das Herz des Sprechers erreicht. Ihr Wort wird zu einem direkten Schlag ins Herz, der das gesamte Wesen des Sprechers erschüttert. Der Moment, in dem ihre Worte ihn erreichen, ist für ihn so intensiv und bedeutsam, dass er nicht in der Lage ist, mehr als seine Liebe zu sprechen. Die Freude und das Entzücken über ihre Nähe und Worte lassen ihn fast in einem Zustand der Schüchternheit und Ehrfurcht zurück. Das Gedicht endet mit der Darstellung eines Zustands, in dem das lyrische Ich durch die Liebe völlig verzaubert ist und keine anderen Worte finden kann, um das Ausmaß seiner Gefühle zu beschreiben.

Insgesamt illustriert das Gedicht eine tiefe, fast spirituelle Vereinigung mit der Geliebten, die den Sprecher in einen Zustand der höchsten Freude und des Trostes versetzt. Heinrich von Morungen verwendet poetische Bilder und Metaphern, um die grenzenlose und transformierende Kraft der Liebe darzustellen, die das Leben des Sprechers in einen Zustand der Ekstase und Glückseligkeit versetzt. Das Gedicht zeigt die romantische und gleichzeitig schmerzhafte Sehnsucht nach einer Liebe, die so intensiv ist, dass sie alle Aspekte des Lebens durchdringt und den Sprecher sowohl erleuchtet als auch aufwühlt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.