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Wir saßen am Fischerhause

Von

Wir saßen am Fischerhause,
Und schauten nach der See;
Die Abendnebel kamen,
Und stiegen in die Höh‘.

Im Leuchtturm wurden die Lichter
Allmählich angesteckt,
Und in der weiten Ferne
Ward noch ein Schiff entdeckt.

Wir sprachen von Sturm und Schiffbruch,
Vom Seemann, und wie er lebt
Und zwischen Himmel und Wasser
Und Angst und Freude schwebt.

Wir sprachen von fernen Küsten,
Vom Süden und vom Nord,
Und von den seltsamen Völkern
Und seltsamen Sitten dort.

Am Ganges duftet’s und leuchtet’s,
Und Riesenbäume blühn,
Und schöne, stille Menschen
Vor Lotosblumen knien.

In Lappland sind schmutzige Leute,
Plattköpfig, breitmäulig und klein;
Sie kauern ums Feuer, und backen
Sich Fische, und quäken und schrein.

Die Mädchen horchten ernsthaft,
Und endlich sprach niemand mehr;
Das Schiff war nicht mehr sichtbar,
Es dunkelte gar zu sehr.

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Gedicht: Wir saßen am Fischerhause von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Wir saßen am Fischerhause“ von Heinrich Heine beschreibt eine stimmungsvolle Szene am Meer, in der ein Gespräch über Ferne, Abenteuer und fremde Welten langsam in Schweigen und Dunkelheit übergeht. Im Mittelpunkt steht das Motiv der Sehnsucht nach dem Unbekannten, das die Betrachtenden beim Anblick der See und des entfernenden Schiffs erfasst. Das Meer und das Schiff wirken hier als Projektionsflächen für Träume und Ängste über das Leben in der Fremde.

Heine verknüpft die Naturbeschreibung – das Einsetzen der Abendnebel, das Anzünden der Leuchttürme und das Verschwinden des Schiffs – mit einer gedanklichen Reise in ferne Länder. Die Gespräche drehen sich um das unstete Leben des Seemanns, die Gefahr von Sturm und Schiffbruch sowie um exotische Orte wie Indien („Am Ganges“) und Lappland. Dabei wird der Süden romantisiert als geheimnisvoll und duftend, während der Norden in fast karikierender Weise als primitiv und karg beschrieben wird. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die europäische Sichtweise auf das „Fremde“, die zwischen Faszination und Abwertung schwankt.

Sprachlich ist das Gedicht schlicht und bildhaft gehalten. Die abendliche Szenerie und die leisen Naturstimmungen – Nebel, Licht des Leuchtturms, das Dunklerwerden – vermitteln eine ruhige, fast melancholische Atmosphäre. Der Verlauf von der lebendigen Unterhaltung zum Schweigen am Ende spiegelt die zunehmende Dämmerung wider und verstärkt das Gefühl der Vergänglichkeit. Das Schiff, das schließlich im Dunkel verschwindet, wird zum Symbol der Unerreichbarkeit und der Grenzen menschlicher Vorstellungskraft.

Insgesamt thematisiert Heine in diesem Gedicht die Spannung zwischen Fernweh und Wirklichkeit. Während das Gespräch von Abenteuern und fernen Ländern träumen lässt, endet es in einem stillen Moment der Nachdenklichkeit – als ob die Dunkelheit auch die Gedanken und Fantasien langsam verschluckt. Das Gedicht zeigt so eine typische romantische Stimmung, die zwischen Aufbruch und resignierender Stille changiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.