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Sie erlischt

Von

Der Vorhang fällt, das Stück ist aus,
Und Herrn und Damen gehn nach Haus.
Ob ihnen auch das Stück gefallen?
Ich glaub, ich hörte Beifall schallen.
Ein hochverehrtes Publikum
Beklatschte dankbar seinen Dichter.
Jetzt aber ist das Haus so stumm,
Und sind verschwunden Lust und Lichter.
Doch horch! ein schollernd schnöder Klang
Ertönt unfern der öden Bühne; –
Vielleicht, daß eine Saite sprang
An einer alten Violine.
Verdrießlich rascheln im Parterr‘
Etwelche Ratten hin und her,
Und alles riecht nach ranz’gem Öle.
Die letzte Lampe ächzt und zischt
Verzweiflungsvoll, und sie erlischt.
Das arme Licht war meine Seele.

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Gedicht: Sie erlischt von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sie erlischt“ von Heinrich Heine ist eine melancholisch-bittere Reflexion über das Ende eines Lebensabschnitts oder gar das Ende des Lebens selbst. Die Bühne dient hier als zentrale Metapher für das Leben, das wie ein Theaterstück abläuft und schließlich zu einem Abschluss kommt. Nach dem „Vorhang“ folgt die Leere, die Stille – das Bild des leeren, verlassenen Theaters unterstreicht die Einsamkeit und Vergänglichkeit, die das lyrische Ich empfindet. Die anfängliche Erwähnung von „Beifall“ wirkt dabei fast hohl, da sie im Kontrast zur trostlosen Szenerie danach steht.

Heine entfaltet in der zweiten Strophe eine Atmosphäre der Verlassenheit und des Verfalls: Geräusche wie das „Saitenspringen“ einer Violine und das „Rascheln der Ratten“ erzeugen eine bedrückende Stimmung. Der Geruch von „ranz’gem Öle“ und das „ächzende“ Licht verstärken den Eindruck von Verfall und Endgültigkeit. Die Bühne, die einst vom Leben erfüllt war, ist nun ein Ort des Verfalls, eine Szenerie der Entzauberung. Das Theater als Sinnbild für das Leben weist hier auf die Vergänglichkeit von Ruhm, Kunst und Dasein hin.

Mit dem Bild der letzten, „verzweiflungsvoll“ verlöschenden Lampe findet das Gedicht seinen Höhepunkt. Das Licht der Lampe steht sinnbildlich für die Seele des lyrischen Ichs, das angesichts der inneren Leere und Hoffnungslosigkeit verlöscht. Der finale Vers bringt die Identifikation des Lichts mit der „armen“ Seele auf den Punkt und verleiht dem Text eine existentielle Tiefe.

„Sie erlischt“ thematisiert somit in düsterer, fast resignativer Tonlage die Endlichkeit des Lebens und die Einsamkeit nach dem „Applaus“ der Welt. Heine verbindet dabei kunstvoll Bühnensymbolik mit der inneren Gefühlswelt des lyrischen Ichs und lässt das Gedicht mit einer eindringlichen Bildsprache in tiefer Schwermut ausklingen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.