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In der Fremde

Von

1.

Es treibt dich fort von Ort zu Ort,
Du weißt nicht mal warum;
Im Winde klingt ein sanftes Wort,
Schaust dich verwundert um.

Die Liebe, die dahinten blieb,
Sie ruft dich sanft zurück:
O komm zurück, ich hab dich lieb,
Du bist mein einz’ges Glück!

Doch weiter, weiter, sonder Rast,
Du darfst nicht stillestehn;
Was du so sehr geliebet hast,
Sollst du nicht wiedersehn.

2.

Du bist ja heut so grambefangen,
Wie ich dich lange nicht geschaut!
Es perlet still von deinen Wangen,
Und deine Seufzer werden laut.

Denkst du der Heimat, die so ferne,
So nebelferne dir verschwand?
Gestehe mir’s, du wärest gerne
Manchmal im teuren Vaterland.

Denkst du der Dame, die so niedlich
Mit kleinem Zürnen dich ergötzt?
Oft zürntest du, dann ward sie friedlich,
Und immer lachtet ihr zuletzt.

Denkst du der Freunde, die da sanken
An deine Brust, in großer Stund‘?
Im Herzen stürmten die Gedanken,
Jedoch verschwiegen blieb der Mund.

Denkst du der Mutter und der Schwester?
Mit beiden standest du ja gut.
Ich glaube gar, es schmilzt, mein Bester,
In deiner Brust der wilde Mut!

Denkst du der Vögel und der Bäume
Des schönen Gartens, wo du oft
Geträumt der Liebe junge Träume,
Wo du gezagt, wo du gehofft?

Es ist schon spät. Die Nacht ist helle,
Trübhell gefärbt vom feuchten Schnee.
Ankleiden muß ich mich nun schnelle
Und in Gesellschaft gehn. O weh!

3.

Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch, und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum,
Wie gut es klang) das Wort: „Ich liebe dich!“
Es war ein Traum.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: In der Fremde von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „In der Fremde“ von Heinrich Heine thematisiert die Erfahrung von Entwurzelung und Heimweh in drei zusammenhängenden Teilen. Im ersten Teil beschreibt Heine das rastlose Umherirren des lyrischen Ichs, das scheinbar getrieben von einer unsichtbaren Macht von Ort zu Ort zieht. Die leise Stimme der Liebe, die zur Rückkehr ruft, bleibt vergeblich, da das Schicksal oder innere Zwänge das Weiterziehen verlangen. Die Liebe steht dabei symbolisch für das Vertraute und für Heimat, während das rastlose Unterwegssein Entfremdung und Unruhe ausdrückt.

Der zweite Teil schildert einen Dialog, in dem das lyrische Ich mit seiner eigenen inneren Zerrissenheit konfrontiert wird. Die Gedanken kreisen um das Verlorene: die Heimat, die Familie, die geliebte Frau und die Freunde. Dabei mischt sich tiefe Melancholie mit einer fast kindlichen Sehnsucht nach Geborgenheit und Vertrautheit. Das Gedicht verdeutlicht hier besonders den Zwiespalt zwischen dem äußeren, vielleicht gezwungenen Exil und dem inneren Verlangen nach Rückkehr. Die Detailfülle – wie die Erinnerung an den Garten, die Mutter oder die Geliebte – schafft eine dichte Atmosphäre des Heimwehs.

Der dritte Teil wirkt besonders resigniert und ernüchtert. Hier verdichtet sich das Thema in der bitteren Erkenntnis, dass das „schöne Vaterland“ und die geliebte Sprache nur noch als Traum existieren. Der Eichenbaum und die Veilchen als Naturmotive symbolisieren die verlorene Heimat und Kindheitserinnerungen, die jetzt unerreichbar sind. Der Ausdruck „Es war ein Traum“ verdeutlicht eine tiefe Entfremdung und den Bruch mit der Vergangenheit. Heine verknüpft persönliche Exilerfahrung mit einer universellen Klage über Heimatverlust und Identitätskrise. Die leise Ironie im letzten Vers unterstreicht die Resignation gegenüber der Unwiederbringlichkeit des Verlorenen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.