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Die Launen der Verliebten

Von

Der Käfer saß auf dem Zaun, betrübt;
Er hat sich in eine Fliege verliebt.

„Du bist, o Fliege meiner Seele,
Die Gattin, die ich auserwähle.

Heirate mich und sei mir hold!
Ich hab einen Bauch von eitel Gold.

Mein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.“

„O daß ich eine Närrin wär!
Ein’n Käfer nehm ich nimmermehr.

Mich lockt nicht Gold, Rubin und Smaragd;
Ich weiß, daß Reichtum nicht glücklich macht.

Nach Idealen schwärmt mein Sinn,
Weil ich eine stolze Fliege bin.“ –

Der Käfer flog fort mit großem Grämen;
Die Fliege ging, ein Bad zu nehmen.

„Wo ist denn meine Magd, die Biene,
Daß sie beim Waschen mich bediene;

Daß sie mir streichle die feine Haut,
Denn ich bin eines Käfers Braut.

Wahrhaftig, ich mach eine große Partie;
Viel schöneren Käfer gab es nie.

Sein Rücken ist eine wahre Pracht;
Da flammt der Rubin, da glänzt der Smaragd.

Sein Bauch ist gülden, hat noble Züge;
Vor Neid wird bersten gar manche Schmeißfliege.

Spute dich, Bienchen, und frisier mich,
Und schnüre die Taille und parfümier mich;

Reib mich mit Rosenessenzen, und gieße
Lavendelöl auf meine Füße,

Damit ich gar nicht stinken tu,
Wenn ich in des Bräut’gams Armen ruh.

Schon flirren heran die blauen Libellen,
Und huldigen mir als Ehrenmamsellen.

Sie winden mir in den Jungfernkranz
Die weiße Blüte der Pomeranz‘.

Viel Musikanten sind eingeladen,
Auch Sängerinnen, vornehme Zikaden.

Rohrdommel und Horniß, Bremse und Hummel,
Sie sollen trompeten und schlagen die Trummel;

Sie sollen aufspielen zum Hochzeitfest –
Schon kommen die buntbeflügelten Gäst‘,

Schon kommt die Familie, geputzt und munter;
Gemeine Insekten sind viele darunter.

Heuschrecken und Wespen, Muhmen und Basen,
Sie kommen heran – die Trompeten blasen.

Der Pastor Maulwurf im schwarzen Ornat,
Da kommt er gleichfalls – es ist schon spat.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
Wo bleibt mein liebster Bräutigam?“ – –

Bim-bam, bim-bam, klingt Glockengeläute,
Der Bräutigam aber flog fort ins Weite.

Die Glocken läuten, bim-bam, bim-bam –
„Wo bleibt mein liebster Bräutigam?“

Der Bräutigam hat unterdessen
Auf einem fernen Misthaufen gesessen.

Dort blieb er sitzen sieben Jahr‘,
Bis daß die Braut verfaulet war.

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Gedicht: Die Launen der Verliebten von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Launen der Verliebten“ von Heinrich Heine ist eine ironisch-satirische Tierfabel über die Eitelkeit, Wankelmütigkeit und Täuschungen in Liebesdingen. Im Zentrum steht ein Käfer, der einer Fliege seine Liebe gesteht, und eine Fliege, die diese Liebe zunächst ablehnt, später jedoch selbst in Hochzeitsvorbereitungen verfällt. Die Gegensätzlichkeit zwischen den ersten beiden Strophen und dem weiteren Verlauf macht den komischen Reiz des Gedichts aus.

Zunächst wird der Käfer als trauriger, aber werbender Verehrer dargestellt, der mit äußerem Prunk – Gold, Rubin und Smaragd – seine Vorzüge anpreist. Die Fliege jedoch weist ihn stolz ab und pocht auf ihre „Ideale“. In einem plötzlichen Wandel widerspricht sie später ihrer eigenen Haltung und bereitet sich eifrig auf die Hochzeit mit dem gleichen Käfer vor. Hier spiegelt sich eine Kritik an der Launenhaftigkeit und Oberflächlichkeit der Verliebten, die Heine mit viel Witz und Ironie ausstattet.

Mit einer Fülle von komischen Details – von der Hochzeitsgesellschaft aus Insekten bis zum pompösen Hochzeitszeremoniell mit Musik und floralen Dekorationen – karikiert Heine das Spiel gesellschaftlicher und romantischer Eitelkeiten. Die Erwartung der Fliege wird jedoch enttäuscht, als der Bräutigam am Ende einfach verschwindet und sie vergeblich auf ihn wartet. Diese Wendung verstärkt die satirische Pointe, denn der Käfer zeigt sich genauso launisch und unzuverlässig wie zuvor die Fliege.

Die Sprache ist bewusst verspielt und reich an Lautmalerei und Reim, wodurch das Gedicht eine märchenhafte Leichtigkeit erhält, während es gleichzeitig eine scharfe Beobachtung menschlicher Schwächen liefert. Heine führt dem Leser auf unterhaltsame Weise vor Augen, wie Selbsttäuschung, Eitelkeit und Inkonsequenz das Liebesleben bestimmen können.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.