Auswanderer
Sie nehmen ihre Kinder an der Hand
Und ziehen fort; es duldet sie kein Land.
Grenzwächter sind auf ihren Weg gestellt,
Wie wenn ein Hund am Tor die Wache hält.
Sind überm Meer noch ein paar Ackerbreit,
Worauf nicht Gras noch Futterkorn gedeiht?
Sanddünen, die kein Sämann noch bewarf,
Dass dort ein Bettelvolk verhungern darf?
Der Bauch der Schiffe nimmt sie endlich auf,
Zum Ballast hingeworfen, Hauf um Hauf.
Und setzt sie an den fernen Küsten aus
Wie Findlingskinder vor ein fremdes Haus.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Auswanderer“ von Hedwig Lachmann thematisiert die tragische Situation von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, um in einer unsicheren Zukunft zu überleben. Zu Beginn beschreibt die Dichterin die Auswanderer als Eltern mit Kindern, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, da sie in keinem Land willkommen sind. Die Worte „es duldet sie kein Land“ betonen die Ablehnung und den Ausschluss, dem diese Menschen gegenüberstehen.
Die zweite Strophe setzt mit einem scharfen Bild fort: Die Auswanderer werden wie Tiere behandelt, die durch „Grenzwächter“ – symbolische Barrieren oder feindliche Instanzen – kontrolliert werden. Die Metapher des Hundes, der als Wächter am Tor steht, verleiht der Szene eine herabwürdigende Note und zeigt die Entwürdigung der Auswanderer, die zu bloßen Objekten der Überwachung werden.
In der dritten und vierten Strophe wird das Bild der weiten, leeren Wüste gezeichnet, die für die Auswanderer keine Hoffnung auf Nahrung oder Leben bietet. Die „Sanddünen, die kein Sämann noch bewarf“, unterstreichen die Vergeblichkeit ihrer Reise und den tragischen Zustand, in dem sie sich befinden. Das Bild des „Bettelvolks“, das an diesen Orten verhungern könnte, zeigt die bittere Realität der Armut und des Elends, dem diese Menschen ausgeliefert sind.
Das Gedicht endet mit einem kraftvollen Bild: Die Auswanderer werden als „Ballast“ in den Schiffen aufgefangen und an einer fernen Küste wie „Findlingskinder“ vor einem fremden Haus abgesetzt. Diese Darstellung verstärkt die Entfremdung und das Gefühl der Heimatlosigkeit. Lachmann zeigt eindrucksvoll, wie die Auswanderer in ihrer neuen Umgebung als Fremde zurückgelassen werden, ohne dass ihnen eine neue Heimat oder Zukunft in Aussicht steht.
Das Gedicht vermittelt eindrucksvoll die Verzweiflung und die Ausweglosigkeit von Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Es ist eine Anklage gegen die Ablehnung und die Entmenschlichung der Auswanderer, die in einer fremden Welt ohne Unterstützung und Anerkennung zurückgelassen werden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.