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Hartnäckige Liebe

Von

Jan Reimers hatte vor gar nichts Furcht.
Er rettete damals die beiden Dänen,
Ihr wißt wohl – es wollte keiner dran
Er riß sie dem blanken Hans aus den Zähnen.

Nun war da die Antje Nissen – ei ja,
Die mochte dem starken Jan wohl taugen!
Schmuck war sie, alles was recht ist – man bloß:
Ihr guckte der Deubel aus beiden Augen.

Aber Jan, wie gesagt, war bange vor nichts.
Und so freit′ er um Antje. Sie ziert′ sich nicht lange
Und sagte Ja und ward seine Braut.
Aber als sie′s war, da ward ihm doch bange.

Schon vor der Hochzeit alle Tag Krieg!
Verdammt, denkt Jan, nur noch drei Wochen,
Dann ist die Hochzeit. Sie läßt mich nicht los.
Aber sie ist ein Stachelrochen.

Da – denkt euch – da kommt ihm Hilf′ in der Not!
Bei Südsüdost wird Jan Reimers verschlagen –
Er rennt auf die Klippen – das Schiff zerkracht –
Eine Planke hat ihn nach England getragen.

Sein erster Gedanke war: »Jung, wat′n Glück,
Nu bin ick verschollen! Das ′s Gottes Wille!«
Er stopft sich die Pfeife mit nassem Shag
Und steckt sie in Brand bedachtsam und stille.

Sein Ewer freilich war Grus und Mus.
»Na ja«, denkt Jan, »wat is dor Slimm′s bi!
Ick hev hier Fisch un hev hier Tobak.«
Und er lebte drei Jahre vergnügt in Grimsby.

Aber die Welt ist ein Rattenloch.
Ein Landsmann muß ihn gesehen haben. –
Jan bummelt am Hafen, die Fäust′ in der Tasch′,
Sich recht an Freiheit und Sonne zu laben –

Da hört er plötzlich – ihm schießt′s in die Knie –
Seinen Namen rufen von weiblicher Stimme:
»Jan Reimers! Jan Reimers!« Ihm war′s, als rief′
Des jüngsten Tages Posaun′ ihn mit Grimme!

Aber Jan hat Courage: er stellt sich taub!
Da ruft Antje Nissen: »Du solltest dich schämen!
Nun tu′ doch nicht so, als wenn du nicht hörst,
Du Feigling, du!«
Da mußt′ er sie nehmen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hartnäckige Liebe von Otto Ernst

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hartnäckige Liebe“ von Otto Ernst erzählt die Geschichte des Seemannes Jan Reimers, der vor keiner Gefahr zurückschreckt, aber von der Liebe zur widerspenstigen Antje Nissen in die Enge getrieben wird. Das Gedicht ist humorvoll und drastisch, und schildert auf anschauliche Weise Jans Versuche, der Heirat mit Antje zu entgehen und schließlich doch von ihrem unerbittlichen Charakter eingeholt zu werden. Es ist ein Portrait von Liebe, Sturheit und dem Scheitern vor der Aufgabe, seinen eigenen Gefühlen zu entkommen.

Die ersten Strophen etablieren Jans Tapferkeit und seine Furchtlosigkeit, indem sie seine Rettung zweier Dänen hervorheben. Diese Tat dient als Kontrast zu seiner späteren Zaghaftigkeit gegenüber Antje. Das Gedicht spielt mit dem Klischee des starken Mannes, der im Angesicht von Naturgewalten keine Scheu kennt, jedoch vor der Liebe und besonders vor der Ehe zurückschreckt. Antje wird als attraktive, aber schwierige Frau dargestellt, mit einem „Deubel aus beiden Augen“, was sofort ihre potenzielle Schwierigkeit andeutet. Die ironische Wendung, dass Jan, der vor dem Tod keine Furcht kennt, vor Antje Angst hat, prägt den Kern des Gedichts.

Die Handlung spitzt sich zu, als Jan die Ehe zu entkommen versucht. Er flieht vor der bevorstehenden Hochzeit und erlebt einen Schiffbruch, der ihm die erhoffte Freiheit im Exil bietet. Die Verwendung des Seemannslebens und die raue Sprache unterstützen die realistische Darstellung und den Kontrast zwischen Jans äußerer Tapferkeit und innerer Unsicherheit. Seine Freude über das vermeintliche Entkommen unterstreicht die Ironie der Situation. Der Humor liegt in der Tatsache, dass Jan die widrigsten Umstände überlebt, nur um schließlich doch von Antjes Hartnäckigkeit eingeholt zu werden.

Die Pointe des Gedichts liegt in Jans unvermeidlicher Rückkehr und der unvermeidlichen Begegnung mit Antje. Ihre Rufe aus der Ferne und die scherzhafte Beschreibung von Jans Reaktion, als ob er von den Posaunen des Jüngsten Tages gerufen würde, steigern die Dramatik und den Humor. Jans Versuch, sich taub zu stellen, scheitert letztendlich, da Antjes Beharrlichkeit und ihre Beschimpfung ihn zur Aufgabe zwingen. Die letzte Zeile „Da mußt‘ er sie nehmen“ ist ein resignierter, aber auch humorvoller Abschluss, der die Unvermeidlichkeit der Liebe und die Macht der weiblichen Hartnäckigkeit betont.

Otto Ernsts Gedicht ist eine humorvolle Auseinandersetzung mit den Themen Liebe, Freiheit und den Unwägbarkeiten des menschlichen Herzens. Durch die Verwendung von nautischen Bildern, mundartlichen Ausdrücken und ironischen Wendungen schafft er ein lebendiges Bild von Jans Kampf gegen die Liebe und die Erkenntnis, dass man ihr letztendlich nicht entkommen kann. Das Gedicht ist eine Hommage an die Hartnäckigkeit der Liebe und die unvermeidliche Begegnung mit dem Schicksal.

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Lizenz und Verwendung

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