Qualnachtwald
Vom Meer zum Mainkai Nebel webt
Wunschmann in Wut die Welt umläuft
Im Wurzelwerk ein Mahr Gold häuft
Hoch ob der Seewell Habicht schwebt
Der Maimond blauen Schlaftrank träuft
Wo hartgelehnt der Schüler strebt
An Thesen ist ein Narr wer klebt
Weil tief ein Denkschacht drunter teuft
Erdherzwärts trübes Blut musst kreisen
Sei dir auch Sonnenbahn verheißen
Und lichte Zwiesprach mit den Steinen
Tagshell mags grell sogar erscheinen
Bis alle Gramlast grabhaft ruht
Am Qualnachtwald. Hans Schiebelhuth.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Qualnachtwald“ von Hans Schiebelhuth präsentiert eine komplexe und symbolisch aufgeladene Bildsprache, die Themen wie den inneren Konflikt, geistige Erleuchtung und das Wechselspiel von Licht und Dunkelheit anspricht. Zu Beginn wird der „Wunschmann“ vorgestellt, der „in Wut die Welt umläuft“. Dieser „Wunschmann“ könnte als Symbol für den Menschen verstanden werden, der in seiner Zerrissenheit und inneren Unruhe die Welt um sich herum bearbeitet, während er im „Wurzelwerk“ ein „Mahr Gold häuft“ – möglicherweise ein Hinweis auf die oft vergebliche und materialistische Jagd nach Erfolg und Besitz. Der „Habicht“ über dem Meer symbolisiert die Beobachtung und möglicherweise auch die Distanz, mit der die Natur und das Leben verfolgt werden.
Die zweite Strophe vertieft die geistige Auseinandersetzung und Selbstreflexion. Der „Maimond“ und der „blauen Schlaftrank“ deuten auf eine Zeit der Einkehr und des Nachdenkens hin. Der „Schüler“ strebt „an Thesen“ und wird dabei als „Narr“ bezeichnet, wenn er „klebt“. Dies könnte eine kritische Stellungnahme gegen dogmatische Denkmuster und unreflektiertes Festhalten an vorgefassten Meinungen sein. Das Gedicht fordert zur geistigen Flexibilität und tiefgründigen Auseinandersetzung auf, was durch das Bild des „Denkschachts“ und das „tiefe Teufen“ verdeutlicht wird.
In der dritten Strophe wird das Bild des „Erdherzwärts trüben Blutes“ eingeführt, das eine symbolische Darstellung des Leidens und der inneren Auseinandersetzung mit dem Leben sein könnte. Der Appell, sich der „Sonnenbahn“ zu verheißen, spricht von einem idealisierten Ziel, einem Weg des Lichts und der Klarheit, dem man sich hingeben sollte, auch wenn der „trübe“ Zustand des Blutes zunächst das Gegenteil zeigt. Die „lichte Zwiesprach mit den Steinen“ könnte auf das Gespräch mit der Erde oder die Auseinandersetzung mit der fundamentalen Wahrheit und Beständigkeit des Lebens hinweisen.
Am Ende des Gedichts, im „Qualnachtwald“, entfaltet sich eine Atmosphäre der Dunkelheit und des Leidens, die dennoch einen Platz für Ruhe und Erkenntnis bietet. Die „Gramlast grabhaft ruht“ deutet darauf hin, dass das geduldige Tragen von Schmerz und Sorgen schließlich zu einem Zustand des Friedens führt. Der „Qualnachtwald“ steht als symbolischer Raum für die Konfrontation mit den eigenen inneren Dämonen und das Finden von Frieden im Angesicht der Dunkelheit. Schiebelhuths Gedicht vereint eine Vielzahl von metaphysischen und existenziellen Bildern, die die komplexe Beziehung zwischen dem Inneren und dem Äußeren, dem Licht und der Dunkelheit, dem Wissen und der Unwissenheit thematisieren.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.