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Hymne des Maropampa

Von

Für Mira

Ich bin von den Niemandsinseln. In meinem Blut sind noch Ödlande.
Meine Kindheit haben die dunkelblauen Einsamkeiten liebkost unter blühenden Weißdornbüschen.
Nächte sprangen mich an: Tiger blutdürstig auf Tatzen lautlos.
Aber als ich emporwuchs, hub ich die Sternnester aus.
Im Geäst des Weltbaums besaß ich Lemurenmädchen, zierlich um eine Schale Mondschein weinend.
Von unheilvollen Schiffen verschlagen hab ich auf Kuba
Den Bauch der Häuptlingsweiber mit den fressenden Sonnen Astartes bemalt.

Frau du von Massachusetts oder vom Marmarameer!
Trinken will ich an den unerforschten Brunnen deines Bluts.
Auffange du meines Herzschlags Tumult im kühlen Gefäß deiner Hände.
Lass mich den Nacken ins Moos deiner Blicke biegen,
Boot meiner Wünsche bergen in deiner Schlüsselbeingruben apulischer Bucht,
Stillen das Ungetüm meines Atems in Haar-Wolke seiden,
Wenn hinter deinem Haupt Strahlen sinkender Sonne hinstürzen im Weltraum: goldnes Gebälk.

Ich weiß: Eh noch der Unrat dieser Städte um uns aufstank, braune Haut
In dieser Menschen wässern Blut und wächsern Fleisch geschattet,
Da waren Tummelplätze deiner Jugend groß: Die Wüsten.
Der heiße Sand. Der Dattelhaine Rauschen. Die Steppe, nur von Sonne überbrüllt,
Wo gutes Leben lief, ein Leichtes, zwischen Horizont und Hecken
Die hochgehörnten Herden deines Stammes hütend
Beim Rauch von Lagerfeuern säulend in des Himmels tiefsten Indigo.

Ums Dämmern traten an Oasen, äugend scheu,
Der schmalen Antilopen Rudel aus zum Quell.
Und nächtens war der Diamant der Sterne dein.
Musik: des Mondes Silberhorn im Schwermut-Tuten,
Der Grillen Singsang aus dem windgerillten Gras;
Aus Zelten kam das Monoton der Mütter mit dem zagen Schnarren
Der Nabelgeigen zu den Unkenliedern tröstlich in das große Kühl.

Dass du nun tanzen musst unter schwebender Zirkusplane,
Schwester mit lächelnden Lenden und Brüsten orangen geschminkt.
Sklav will ich dir sein, Krieger, der deinen Schlaf behütet.
Die Erde von dir geschenkt haben auf Atlasschultern.
Den feurigen Monddiskus hoch durch deine Träume werfen.
Aber du wächst über die Statt. Und ich rase
Übers Gewölb des Weltdachs, Göttin, dir nach, ein Brennender durch den ewigen Schnee.

Wann werde ich einmal so betrunken sein, dass ich sage zu dir: „Deine Hüften sind mein Sommer, Madam.
Die Nacht wuchert ein Rebdach um uns. Wind ist Weinduft. Greif dir die Sterntraube!
Stoß mich nicht fort! Ich werde die Landschaft verwüsten!
Das Meer aussaufen, dass Dürre wird!
Städte anzünden, dass alles veräscht!
Der Himmel wird rot sein von Blut, wenn ich den Mond morde!
Sturm zerstiebt eure Erd, so am Horizont ich die Bresche haue ins Nichts!“

Sterben möcht ich für dich. Hinrinnen. Vielleicht in Spitälern ein Tier.
Oder in dunkeln Straßen der Sehnsucht röchelnd verrecken ein Trunkner.
Kann sein, dass mich ein Heimweh auslöscht fiebernd,
Wenn ich an trübem Kaffeehausnachmittag zu Billardbällen hinsinne.
Dann bin ich noch im Tod dein Maropampa! Lächelnder!
Fund du im Uferlosen, das mir Rosen aufbricht.
Sonnantlitz strahlend über Heimatklippen ausgeglüht vom Glück.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Hymne des Maropampa von Hans Schiebelhuth

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Hymne des Maropampa“ von Hans Schiebelhuth ist ein leidenschaftliches, ekstatisch aufgeladenes Liebes- und Bekenntnisgedicht, das zwischen Mythen, Naturbildern, kultureller Ferne und existenzieller Sehnsucht oszilliert. Der Sprecher – der sich selbst als „Maropampa“ bezeichnet, ein phantastisch klingendes Alter Ego – entwirft ein fiebriges Ich-Porträt zwischen Urzeit, Exotik und apokalyptischer Vision. Die Adressatin, Mira, wird zur musehaften, gottgleichen Figur stilisiert, der das lyrische Ich in einer Mischung aus Begehren, Hingabe und Verzweiflung nachjagt.

Bereits die Anfangsverse verorten den Sprecher in einem Zwischenreich von Herkunft und Fantasie: „Niemandsinseln“, „Ödlande“, „dunkelblaue Einsamkeiten“ – dies sind Orte jenseits des Realen, durchtränkt von archaischer Natur und metaphysischer Leere. Die autobiografisch aufgeladene Bildsprache – mit Lemurenmädchen, Häuptlingsweibern und „fressenden Sonnen Astartes“ – evoziert koloniale, mythisch übersteigerte Erfahrungen, in denen Erotik, Gewalt und Magie eine untrennbare Einheit bilden.

Im zentralen Abschnitt richtet sich der Sprecher direkt an Mira, eine Frau, die geografisch und kulturell nicht verortet werden kann – sie ist „von Massachusetts oder vom Marmarameer“, was ihre universelle, fast übermenschliche Dimension betont. Sie wird als natürliche Gottheit imaginiert, deren Körper zur Landschaft wird: „Schlüsselbeingruben apulischer Bucht“, „Haar-Wolke“, „Moos deiner Blicke“. Das Liebesbegehren des lyrischen Ichs ist total, ja kosmisch – es sucht Verschmelzung, Unterwerfung, Trost und ekstatische Auslöschung zugleich.

Gleichzeitig kontrastiert das Gedicht diese Vision mit der Gegenwart, in der Mira in einem Zirkus tanzt, als „Schwester“ mit „orangen geschminkten Brüsten“. Diese Entzauberung ihrer Göttlichkeit ist schmerzhaft, doch gerade daraus wächst die fast manische Verehrung des Maropampa. In radikalen Bildern – von der Vernichtung der Welt bis zum Mord am Mond – steigert sich das Begehren in eine apokalyptische Raserei. Liebe wird hier nicht als romantische Bindung, sondern als existenzieller Rausch, als zerstörerische Kraft gedacht, die alles umkrempeln, alles verbrennen will.

Das Finale des Gedichts ist von Todessehnsucht durchzogen: Der Maropampa stellt sich vor, im Spital zu sterben, auf der Straße zu verenden oder vom Fieber eines Heimwehs ausgelöscht zu werden. Doch selbst im Tod bleibt die Liebe – eine unsterbliche Verbindung, die sich in der letzten Strophe als strahlendes „Sonnantlitz“ manifestiert. Die geliebte Mira bleibt der „Fund im Uferlosen“, Sinnbild für ein Glück, das nie erreicht, aber auch nie vergessen wird.

„Hymne des Maropampa“ ist ein rauschhaftes Liebesgedicht, das poetische Wildheit, erotische Obsession und kulturelle Mythen zu einem emotional aufgeladenen Monolog verdichtet. Es ist ein extremes, schmerzhaft schönes Bekenntnis zur Macht der Sehnsucht – und zum Scheitern daran.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.