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Gottesdienst

Von

Der Gottesdienst, seht, wie er geht
In vollem Schwang auf ganzer Erden
Mit Mönch- und Nonn und Pfaffewerden,
Mit Kuttentragen, Kopfbescheren,
Tag und Nacht in Kirchen plärren,
Metten, Prim, Terz, Vesper, Komplet,
Mit Wachen, Fasten, langem Gebet,
Mit Gertenhauen, kreuzweis Liegen,
Mit Knieen, Steigen, Bücken, Biegen,
Mit Glockenläuten, Orgelschlagen,
Mit Reliquien-, Kerzen-, Fahnentragen,
Mit Räuchern und mit Glockentaufen,
Mit Lampenschnüren, Gnad-Verkaufen,
Mit Kirchen-, Wachs-, Salz-, Wasserweihen. –
Und ebenso ist’s bei den Laien:
Mit Opfern und mit Lichtlein brennen,
Mit Wallfahrten, zu Heil’gen rennen,
Mit Abendfasten, Tagesfeiern
Und Beichten nach den alten Leiern,
Mit Brüderschaften, Rosenkränzen,
Mit Ablaßlesen, Kirchscharwenzen,
Mit Pacemküssen, Reliquienschauen,
Mit Messenstiften, Kirchenbauen,
Mit großen Kosten die Altäre zieren:
Bilder auf die welschen Manieren,
Samtene Meßgewand, Kelche gülden,
Mit Monstranzen und silbernen Bilden,
In Klöster schaffen Zins und Rent‘;-
Dies „Gottesdienst“ der Papst benennt
Und spricht man wirbt damit den Himmel
Und löst mit ab der Sünden Schimmel. –
Und wenn man’s sich besieht bei Licht,
Ist alles auf das Geld gericht’t.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Gottesdienst von Hans Sachs

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gottesdienst“ von Hans Sachs kritisiert auf satirische Weise die Praktiken und Rituale der Kirche im Mittelalter. Der Dichter beschreibt die Vielzahl an religiösen Handlungen, die der Gottesdienst umfasst, und listet dabei eine Reihe von symbolischen und oft aufwendigen Gesten wie „Kuttentragen“, „Glockenläuten“ und „Kerzen-, Fahnentragen“ auf. Diese Aufzählung wirkt übertrieben und zeigt, dass der Gottesdienst mehr zur Form und Tradition geworden ist als zu einer echten spirituellen Praxis.

Sachs verwendet in seiner Darstellung eine Mischung aus äußerem Ritualismus und innerer Bedeutungslosigkeit, was die Scheinheiligkeit der kirchlichen Zeremonien unterstreicht. Die Vielzahl der beschriebenen Elemente, die von „Opfern und Lichtlein brennen“ bis zu „Kirchenbauen“ reichen, weist darauf hin, dass der wahre Zweck dieser Handlungen nicht im Glauben oder in der Andacht liegt, sondern vielmehr in der materiellen Seite des Gottesdienstes, die die Kirchenbehörden zu „großen Kosten“ und „Bildern auf die welschen Manieren“ führt.

Im letzten Vers des Gedichts wird die kritische Pointe des Gedichts deutlich: „Ist alles auf das Geld gericht’t“. Hier wird das Bild des Gottesdienstes als kommerzielle Veranstaltung entlarvt, bei der nicht der göttliche Dienst, sondern der Erwerb von Reichtum im Mittelpunkt steht. Sachs stellt somit die vermeintlich heilige Institution der Kirche infrage und prangert die Korruption innerhalb des religiösen Systems an.

Durch diese scharfsinnige und humorvolle Kritik wirft das Gedicht einen Spiegel auf die religiösen Praktiken seiner Zeit und fordert den Leser auf, den wahren Sinn von Religion und Gottesdienst zu hinterfragen. Sachs‘ Werk zeigt auf, dass der äußere Schein der religiösen Handlungen oftmals wenig mit der inneren Wahrhaftigkeit des Glaubens zu tun hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.