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Klagelied eines deutschen Dichters

Von

Wohl euch, so lang ihr etwas werdet,
Und eure junge Kraft erprobt:
Man rühmt euch, wie ihr euch gebärdet,
Man findet’s löblich, wenn ihr tobt.

Doch weh, wenn etwas ihr geworden,
Wenn ausgegoren eure Kraft;
Wenn in der echten Sänger Orden
Mit Ruh‘ und Tiefe nun ihr schafft.

O wie alsdann man euer Dichten
Mit einem andern Stabe misst,
Dann will euch jeder Knabe richten,
Der immer wird und niemals ist.

Dann seid ihr, wie der Sklav‘ in Ketten:
Er tue recht – wen kümmert das?
Doch nichts kann vor dem Grimm ihn retten,
Wenn er nur Einmal sich vergaß.

So – schafft ihr Großes, schafft ihr Echtes?
Das ist ja nur verdammte Pflicht!
Doch machet Einmal nur nicht Rechtes:
Das duldet, das verzeiht man nicht.

Drum seufzt, wer Stümper ist gewesen,
Und nicht mehr ist: o wär‘ ich’s noch!
Dann würde mich mein Deutschland lesen,
Und die Kritik, sie riefe: Hoch!

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Gedicht: Klagelied eines deutschen Dichters von Gustav Schwab

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Klagelied eines deutschen Dichters“ von Gustav Schwab thematisiert die schwierige Situation eines Künstlers, der in seiner Jugend bewundert und gefeiert wird, aber im späteren Leben mit harter Kritik und unerbittlicher Bewertung konfrontiert wird. Zu Beginn beschreibt Schwab, wie der Dichter in seiner Anfangszeit gepriesen wird, solange er kreativ und voller Energie ist. Es wird als bewundernswert angesehen, wenn er sich entfaltet und „tobt“, was die Unbekümmertheit und die ungestüme Schaffenskraft der Jugend widerspiegelt.

Doch mit dem Erreichen einer gewissen Reife und Meisterschaft verändert sich die Wahrnehmung der Gesellschaft. Der Dichter, der in den „echten Sänger Orden“ aufgenommen wird, sieht sich plötzlich mit einer anderen, strengeren Bewertung konfrontiert. Die junge Kraft wird von der Gesellschaft auf eine Weise gemessen, die weniger nachgiebig ist, und er muss sich nun mit der harten Realität der Erwartungen auseinandersetzen. Schwab kritisiert hier die Unnachgiebigkeit der Öffentlichkeit, die die Unvollkommenheit im Werk eines Reifen und Anerkannten nicht mehr duldet.

Die zweite Hälfte des Gedichts wird zunehmend pessimistischer und zeigt, wie der Dichter in einem System gefangen ist, das jeden Fehler rigoros bestraft. Der Vergleich mit einem Sklaven in Ketten verdeutlicht, dass der Künstler, selbst wenn er viel geleistet hat, immer noch der gnadenlosen Kritik ausgeliefert ist. Ein einziges Versehen oder eine nicht perfekt gelungene Schöpfung führt zu harter Verurteilung, was die Entfremdung und das Gefühl der Ohnmacht des Dichters gegenüber seiner Umgebung betont.

Schwab reflektiert in diesem Gedicht über die harte Realität des Künstlerdaseins, das mit vielen Enttäuschungen und einem ständigen Streben nach Perfektion verbunden ist. Er beschreibt die duale Natur der Anerkennung – der Künstler wird zu Beginn gefeiert, doch im Laufe der Zeit ist er gefangen in den Anforderungen der Gesellschaft, die er nie vollständig erfüllen kann. Das Gedicht endet mit einem nostalgischen Rückblick des Dichters, der sich nach der Anerkennung seiner Jugend sehnt und bedauert, nicht mehr in der gleichen Weise geschätzt zu werden. Es ist ein klagendes Bekenntnis über die unbarmherzige Bewertung und den wachsenden Druck, der mit dem Ruhm einhergeht.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.