Alltag, Emotionen & Gefühle, Freiheit & Sehnsucht, Gemeinfrei, Götter, Herzschmerz, Leidenschaft, Sommer, Wut, Zauber, Zerstörung
Erste Liebe
Wo bist du, Zeit der Plage,
Der ungestillten Lust?
Ruhst du, o Glut und Klage?
Wirst du so mild, Verlust?
Die Sonne schon im Sinken
Verkläret ihren Schein,
Die Bäum‘ und Büsche winken
Die Quellen flüstern drein.
Und schon erwachst du wieder,
Du erstes Lieb’sgefühl,
Ihr reinen Jugendlieder,
Du frommes Bilderspiel!
O Hoffnung, nicht Verlangen!
O Sehnsucht, nicht Begier!
Ein Beten und ein Bangen
Scheu vor der Himmelstür.
Ein Ja aus allen Trieben,
Und wieder keusches Nein;
Das ist das erste Lieben,
Das erste muss es sein!
Das ist die Lieb‘ auf Erden
In halber Kinderzeit;
Erfüllet wird sie werden
In jener Herrlichkeit.
Verlieren und Entsagen,
Das macht auf Erden reich:
Das Finden und Erjagen
Ist für das Himmelreich.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Erste Liebe“ von Gustav Schwab beschreibt die zarten, fast unbegreiflichen Empfindungen und Widersprüche, die mit der ersten Liebe verbunden sind. Zu Beginn spricht der Dichter von der „Zeit der Plage“ und der „ungestillten Lust“, die mit der ersten Liebe oft einhergeht. Diese „Glut und Klage“ symbolisieren das intensive, aber auch quälende Gefühl, das die erste Liebe hervorruft – eine Mischung aus Sehnsucht und Schmerz. Doch die Frage „Wo bist du?“ lässt darauf schließen, dass diese Zeit der intensiven Leidenschaft und inneren Unruhe irgendwann vorbei ist, was Schwab auf eine etwas melancholische Weise thematisiert.
Die zweite Strophe bildet einen Übergang zur Darstellung der Natur als Spiegel für die Gefühle des verliebten Ichs. Die sinkende Sonne, die sich verklärt, und die Bäume und Büsche, die „winken“, verweisen auf die ständige Veränderung und das Erwachen von Erinnerungen. Die „flüsternden Quellen“ verstärken die Idee der Vergänglichkeit und des fließenden, niemals greifbaren Charakters der ersten Liebe. In dieser Naturbeschreibung spiegelt sich die sich wiederholende Erfahrung des Auf- und Absteigens von Gefühlen wider, die das erste Liebesgefühl kennzeichnen.
Die dritte Strophe bringt eine interessante Wendung, indem sie das „erste Lieb’sgefühl“ als eine Art heiliges, fast spirituelles Erlebnis darstellt. „Reine Jugendlieder“ und „frommes Bilderspiel“ implizieren eine Art Unschuld und Reinheit, die mit der ersten Liebe verbunden sind. Es ist eine Liebe, die von Hoffnung und Sehnsucht geprägt ist, aber auch von einer gewissen Scheu, die dem jungen Herzen innewohnt. Das „Beten und Bangen“ vor der „Himmelstür“ verweist auf die Unsicherheit und das Streben nach einer Erfüllung, die noch in der Ferne liegt.
In den letzten Strophen wird das erste Verlieben als eine Mischung aus „Ja“ und „Nein“ beschrieben – ein ständiges Ringen zwischen Verlangen und Zurückhaltung. Schwab zeigt die innere Zerrissenheit und die Ambivalenz, die die erste Liebe prägen, und stellt fest, dass sie zwar ein irdisches, kindliches Gefühl ist, aber in einer höheren, vollendeten Form im „Himmelreich“ erfüllt wird. Das „Verlieren und Entsagen“ auf Erden wird als eine Art Reichtum angesehen, während das Finden und Erjagen der Liebe als eine Aufgabe für das Jenseits dargestellt wird. Schwab zieht damit eine klare Trennung zwischen der unvollkommenen irdischen Liebe und einer idealisierten, vollkommenen Liebe im Himmel.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.