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Dichterbitte

Von

Wenn zum andernmal ein Baum
Spät im Sommer lächelnd blüht:
Werfet ihr den Stein auf ihn,
Weil er nicht in Früchten glüht?

Dünkt euch nicht der duft’ge Glanz
Lieblicher als Fleisch und Saft,
Rührt euch die Vergeudung nicht
Hoffnungsloser Lenzeskraft?

Nun dann scheltet nicht ein Herz,
Dessen Herbst noch Blüten treibt,
Keinen, der im Spätling noch,
Fruchtvergessen, Lieder schreibt.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Dichterbitte von Gustav Schwab

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dichterbitte“ von Gustav Schwab fordert eine Reflexion über die Vergänglichkeit und den Wert des kreativen Schaffens im späten Lebensabschnitt. Zu Beginn wird ein Bild des Baumes verwendet, der „spät im Sommer lächelnd blüht“, eine Metapher für den Dichter, der auch in späteren Jahren noch schöpferische Kraft besitzt. Die Frage, ob man diesen Baum mit einem Stein bewerfen würde, weil er keine Früchte trägt, stellt die unangemessene Erwartung in den Vordergrund, dass kreative Werke immer nur in voller Reife und Frucht erscheinen sollten. Diese Frage richtet sich direkt an die Gesellschaft, die den Wert eines Kunstwerks oft an seiner Vollständigkeit oder Nützlichkeit misst.

In der zweiten Strophe kritisiert Schwab die oberflächliche Wahrnehmung von Schönheit und Kreativität. Der „duft’ge Glanz“ der Blumen wird mit der materiellen Fruchtbarkeit verglichen. Der Dichter fragt, ob es nicht eine Vergeudung ist, wenn der „Hoffnungsloser Lenzeskraft“ nicht mehr genossen wird, wenn der Frühling (als Symbol für jugendliche Schaffenskraft) vorbei ist und keine Früchte mehr zu erwarten sind. Der Dichter stellt in Frage, ob die Gesellschaft überhaupt den wahren Wert der Schöpfung erkennt, wenn sie sich nur an greifbaren Ergebnissen und „Früchten“ orientiert.

Die dritte Strophe fordert schließlich mehr Akzeptanz für den Dichter im fortgeschrittenen Alter, dessen Werk sich nicht mehr nur auf unmittelbare, fruchtbare Ergebnisse stützt. Schwab bittet darum, das „Herz“ nicht zu schelten, das auch in seinem Herbst noch „Blüten treibt“ und weiterhin, „fruchtvergessen“, Lieder schreibt. Hier wird das Bild des Dichters als eine sich entwickelnde und reifende Pflanze verwendet, deren kreative Schöpfungen auch im späteren Lebensabschnitt noch wertvoll und bedeutungsvoll sind. Es geht weniger um das Streben nach sofortigem Erfolg als um den fortwährenden Akt des Schaffens, der auch in den späteren Jahren des Lebens von Bedeutung bleibt.

Schwab hebt hervor, dass wahre Kunst und Kreativität nicht von äußeren, materiellen Ergebnissen abhängen, sondern dass der kreative Prozess und die Fähigkeit, auch im fortgeschrittenen Alter zu schaffen, eine Form der eigenen inneren Erfüllung und Wertschätzung verdient. Es ist ein Plädoyer für die Anerkennung des Künstlers als einen ewigen Schöpfer, dessen Werk auch ohne sofortige „Früchte“ immer noch eine Bedeutung hat.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.