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Die feinen Ohren

Von

(Meiner Mutter)

Du warst allein,
ich sah durchs Schlüsselloch
den matten Schein
der späten Lampe noch.

Was stand ich nur und trat nicht ein?
Und brannte doch,
und war mir doch, es müßte sein,
daß ich noch einmal deine Stirne strich
und zärtlich flüsterte: Wie lieb‘ ich dich.

Die alte böse Scheu,
dir ganz mein Herz zu zeigen,
sie quält mich immer neu.
Nun lieg‘ ich durch die lange Nacht
und horche in das Schweigen –
ob wohl ein weißes Haupt noch wacht?

Und einmal hab‘ ich leis gelacht:
Was sorgst du noch,
sie weiß es doch,
sie hat gar feine Ohren,
ihr geht von deines Herzens Schlag,
obwohl die Lippe schweigen mag,
auch nicht ein leiser Ton verloren.

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Gedicht: Die feinen Ohren von Gustav Falke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die feinen Ohren“ von Gustav Falke ist eine berührende Reflexion über unausgesprochene Liebe und die tiefe, fast wortlose Verbindung zwischen Mutter und Kind. Das lyrische Ich erinnert sich an einen Moment, in dem es die Mutter allein sah, den Impuls verspürte, ihr Zuneigung zu zeigen, aber letztlich von einer inneren Scheu zurückgehalten wurde. Diese Hemmung – das Zögern, Gefühle offen auszusprechen – wird als schmerzliche Reue empfunden.

Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung der Stille und des Schweigens, die das gesamte Gedicht durchzieht. Die Frage, ob die Mutter noch wacht, verstärkt die Ahnung von Vergänglichkeit und dem möglichen Verlust. Doch schließlich findet das lyrische Ich Trost in der Gewissheit, dass Mütter auch ohne Worte spüren, was in den Herzen ihrer Kinder vorgeht. Die „feinen Ohren“ der Mutter symbolisieren eine intuitive, fast übernatürliche Verbindung, die über Worte hinausgeht.

Das Gedicht bewegt sich zwischen Wehmut und Trost. Während das lyrische Ich die verpasste Gelegenheit beklagt, wird zugleich die tiefe Liebe zur Mutter erkennbar, die auch im Schweigen verstanden wird. Die letzten Zeilen vermitteln eine tröstliche Botschaft: Wahre Liebe bedarf keiner Worte – sie wird gefühlt und bleibt bestehen, selbst wenn sie unausgesprochen bleibt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.