Die Küsse
Der Neid, o Kind,
Zählt unsre Küsse:
Drum küß geschwind
Ein Tausend Küsse;
Geschwind du mich,
Geschwind ich dich!
Geschwind, geschwind,
O Laura, küsse
Manch Tausend Küsse:
Damit er sich
Verzählen müsse.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Küsse“ von Gotthold Ephraim Lessing ist ein verspieltes und zugleich ironisches Werk, das sich mit dem Thema der Liebe und der Neigung zur Zählung und Messung von Zuneigung auseinandersetzt. Der Sprecher spricht das „Kind“ direkt an und beschreibt, wie der „Neid“ – als Symbol für die Versuchung, Vergleiche zu ziehen und das Gute zu zählen – den Kussakt überwachen möchte. Es wird zum Spiel, die Küsse zu zählen, um zu verhindern, dass der Neid übermäßig wird. Diese Zählerei, die eigentlich etwas Schlechtes und Misstrauisches darstellt, wird jedoch ironisch in eine Aufforderung zum exzessiven Küssen umgewandelt.
Die wiederholte Aufforderung „Geschwind, geschwind“ steigert die Dringlichkeit und die Verspieltheit der Handlung. Die Geschwindigkeit, mit der die Küsse ausgetauscht werden, deutet darauf hin, dass es nicht um die Qualität oder die Bedeutung der Küsse geht, sondern vielmehr um die Menge und den Akt des Küssens an sich. Dies spiegelt eine Haltung wider, die die Intensität der Zuneigung nicht misst, sondern sie in der Unermesslichkeit von Tausenden von Küsse zu verlieren scheint. Die Geschwindigkeit, mit der diese Zuneigung ausgetauscht wird, reduziert den Wert des einzelnen Kusses und macht ihn zu einem flüchtigen, fast mechanischen Akt.
Am Ende des Gedichts wird der Neid durch die Fülle der Küsse entwaffnet. „Manch Tausend Küsse“ führen dazu, dass der Neid sich „verzählen müsse“, was eine humorvolle Wendung ist. Die Zählbarkeit und Vergleichbarkeit der Küsse werden ins Absurde gezogen – der Neid verliert seine Macht, weil er durch die Unmenge an Küssen überwältigt wird. Das Gedicht endet also in einem augenzwinkernden Akt der Befreiung, der zeigt, wie das Spiel mit der Zuneigung eine Möglichkeit sein kann, den Neid und die Rivalität zu überwinden.
Lessing schafft hier eine heitere und zugleich tiefere Reflexion über den menschlichen Drang, Zuneigung zu messen und zu vergleichen. Durch die Übertreibung und Ironie wird der Akt des Küssens als eine Möglichkeit dargestellt, die Kontrolle über den Neid und das Streben nach Besitz zu verlieren und stattdessen in der Fülle der Zuneigung aufzugehen. Die Leichtigkeit des Gedichts und der humorvolle Ton machen es zu einer charmanten Auseinandersetzung mit den menschlichen Gefühlen und ihrer oft übertriebenen Darstellung.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.