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Der Taback

Von

Dich, Taback, lobt der Medicus,
weil uns dein fleißiger Genuss
An Zahn und Augen wohl kurieret,
Und Schleim und Kolster von uns führet.

Dich Lobet der Philosophus,
wenn er scharf meditieren muss;
Weil er, so lang er dich genießet,
Des Geistes Flatterigkeit vermisset.

Dich lobet der Theologus
Durch einen homiletschen Schluss,
Wenn er in deinem Rauch entzücket
Ein Bild der Eitelkeit erblicket.

Ich lob dich als ein Jurist,
Was rechtens an dir löblich ist;
Dass, wenigstens wie es mir dünket,
Man mehr und öfter bei dir trinket

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Gedicht: Der Taback von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Taback“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine humorvolle Lobpreisung des Tabakgenusses, in der verschiedene gesellschaftliche Rollen und Berufsgruppen mit ironischer Leichtigkeit ihre je eigenen Vorzüge des Rauchens rühmen. In vier gereimten Strophen werden Arzt, Philosoph, Theologe und Jurist jeweils als Sprecher vorgestellt, die aus ihrer Perspektive den Nutzen des Tabaks preisen – wobei sich eine deutliche satirische Unterströmung durch das ganze Gedicht zieht.

Der Medicus lobt den Tabak aus medizinischer Sicht: als Heilmittel gegen Zahn- und Augenprobleme, Schleim und Verstopfung („Kolster“). Diese Aufzählung folgt dem zeitgenössischen medizinischen Verständnis, in dem Tabak häufig als Arznei betrachtet wurde – doch gerade die Übertreibung in der Vielfalt der Wirkungen legt eine ironische Brechung nahe.

Der Philosoph wiederum schätzt den Tabak, weil er dabei helfen soll, konzentriert zu denken: Er „vermisset“ die „Flatterigkeit des Geistes“, sobald er raucht. Auch hier steckt Ironie – denn das Bild des nachdenklich rauchenden Gelehrten bedient ein Klischee, das Lessing augenzwinkernd aufgreift. Der Genuss des Tabaks wird hier zur Voraussetzung geistiger Tiefe erklärt, was die intellektuelle Pose leicht karikiert.

Der Theologe schließlich erkennt im Rauch ein Sinnbild der „Eitelkeit“ – eine klassische barocke Vanitas-Metapher: Der Rauch als Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen. Lessing führt damit eine religiöse Deutung an, die sich deutlich von den pragmatischeren Argumenten der vorherigen Strophen abhebt, aber ebenfalls in ihrer Predigtart überspitzt und dadurch humorvoll wirkt.

In der letzten Strophe spricht das lyrische Ich als Jurist und lobt den Tabak vor allem für seinen gesellschaftlichen Wert: Er fördert das Trinken, vermutlich in geselliger Runde. Diese Wendung führt die vorherigen Lobreden ad absurdum – nicht geistige Klarheit oder religiöse Erkenntnis stehen im Vordergrund, sondern der Genuss und die Gemeinschaft, mit einem Augenzwinkern präsentiert.

Lessings Gedicht ist somit ein pointiertes, spielerisches Stück Aufklärungssatire. Es nimmt die vermeintlichen Vorteile des Tabaks ernst und zugleich nicht ernst – und entlarvt dabei die menschliche Neigung, Genuss mit Argumenten zu rechtfertigen, gleich aus welcher Disziplin. Die ironische Vielstimmigkeit macht den Reiz dieser kleinen Dichtung aus.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.