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Glanzgesang

Von

Von blauem Tuch umspannt und rotem Kragen,
Ich war ein Fähnrich und ein junger Offizier.
Doch jene Tage, die verträumt manchmal in meine Nächte ragen,
Gehören nicht mehr mir.

Im großen Trott bin ich auf harten Straßen mitgeschritten,
Vom Staub der Märsche und vom grünen Wind besonnt.
Ich bin durch staunende Dörfer, durch Ströme und alte Städte geritten,
Und das Leben war wehend blond.

Die Biwakfeuer flammten wie Sterne im Tale,
Und hatten den Himmel zu ihrem Spiegel gemacht,
Von schwarzen Bergen drohten des Feindes Alarm-Fanale,
Und Feuerballen zersprangen prasselnd in Nacht.

So kam ich, braun vom Sommer und hart von Winterkriegen,
In große Kontore, die staubig rochen herein,
Da mußte ich meinen Rücken zur Sichel biegen
Und Zahlen mit spitzen Fingern in Bücher reihn.

Und irgendwo hingen die grünen Küsten der Fernen,
Ein Duft von Palmen kam schwankend vom Hafen geweht,
Weiß rasteten Karawanen an Wüsten-Zisternen,
Die Häupter gläubig nach Osten gedreht.

Auf Ozeanen zogen die großen Fronten
Der Schiffe, von fliegenden Fischen kühl überschwirrt,
Und breiter Prärien glitzernde Horizonte
Umkreisten Gespanne, für lange Fahrten geschirrt.

Von Kameruns unergründlichen Wäldern umsungen,
Vom mörderischen Brodem des Bodens umloht,
Gehorchten zitternde Wilde, von Geißeln der Weißen umschwungen,
Und schwarz von Kannibalen der glühenden Wälder umdroht!

Amerikas große Städte brausten im Grauen,
Die Riesenkräne griffen mit heiserm Geschrei
In die Bäuche der Schiffe, die Frachten zu stauen,
Und Eisenbahnen donnerten landwärts vom Kai. —-

So hab ich nachbarlich alle Zonen gesehen,
Rings von den Pulten grünten die Inseln der Welt,
Ich fühlte den Erdball rauchend sich unter mir drehen,
Zu rasender Fahrt um die Sonne geschnellt. – –

Da warf ich dem Chef an den Kopf seine Kladden!
Und stürmte mit wütendem Lachen zur Türe hinaus.
Und saß durch Tage und Nächte mit satten und glatten
Bekannten bei kosmischem Schwatzen im Kaffeehaus.

Und einmal sank ich rückwärts in die Kisten,
Von einem angstvoll ungeheuren Druck zermalmt. –
Da sah ich. Daß in vagen Finsternissen
Noch sternestumme Zukunft vor mir qualmt.

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Gedicht: Glanzgesang von Ernst Wilhelm Lotz

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Glanzgesang“ von Ernst Wilhelm Lotz zeichnet das Bild eines Mannes, der einen Lebensweg durchläuft, der von jugendlicher Begeisterung, militärischer Erfahrung, bürgerlicher Routine und schließlich einem Gefühl der Enttäuschung und Sinnsuche geprägt ist. Es ist eine Reflexion über das Vergehen der Zeit, die Suche nach Erfüllung und die Auseinandersetzung mit den eigenen Idealen. Der Ich-Erzähler blickt auf verschiedene Lebensabschnitte zurück, die durch unterschiedliche Bilder und Erfahrungen charakterisiert werden.

In den ersten Strophen wird die jugendliche Zeit des Erzählers als Fähnrich und Offizier in den Fokus gerückt, verbunden mit Träumen und Abenteuerlust. Die Natur wird als Begleiter erlebt, mit dem „grünen Wind“ und den „Biwakfeuern“. Die Kriegserfahrungen, die „braun vom Sommer und hart von Winterkriegen“ machen, markieren eine prägende Phase. Dieser Abschnitt des Gedichts zeichnet sich durch eine romantische und teils pathetische Sprache aus, die die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer widerspiegelt. Es wird von einer Welt erzählt, die von Krieg, Ehre und dem Traum von Heldentaten geprägt ist.

Nach den Kriegserfahrungen folgt ein Wechsel in das bürgerliche Leben, in dem der Erzähler in „große Kontore“ eintritt und „Zahlen mit spitzen Fingern in Bücher reihn“ muss. Diese Phase wird als Bruch empfunden, als Verlust der Träume und der Freiheit. Die „grünen Küsten der Fernen“ stehen in Kontrast zur eintönigen Bürowelt. Der Erzähler sieht die Welt, von „Zonen“ und „Inseln der Welt“, von verschiedenen Ländern und Kulturen, aber diese Welt steht im Kontrast zu seinem Alltag, in dem er sich in der „Routine“ gefangen fühlt.

Der Wendepunkt im Gedicht ist der Aufbruch aus der bürgerlichen Existenz, symbolisiert durch das „Werfen“ der „Kladden“ an den Kopf des Chefs. Dies ist ein Akt der Rebellion und des Ausbruchs aus dem Gefängnis der Routine. Es folgt eine Phase der scheinbaren Freiheit und des Müßiggangs in Kaffeehäusern. Doch diese Freiheit erweist sich als trügerisch, da der Erzähler letztendlich in eine „angstvoll ungeheurem Druck“ versinkt, als er erkennt, dass selbst die Freiheit nicht die ersehnte Erfüllung gebracht hat.

Das Gedicht endet mit einem Ausblick auf eine „sternestumme Zukunft“, die in „vagen Finsternissen“ liegt. Dies deutet auf eine anhaltende Suche nach Sinn und Erfüllung hin, die jedoch noch nicht abgeschlossen ist. Die abschließende Beobachtung „Noch sternestumme Zukunft vor mir qualmt“ lässt offen, ob diese Zukunft positiv oder negativ geprägt sein wird, doch signalisiert die Unaufhörlichkeit des Lebens, der Suche nach Orientierung und Sinnhaftigkeit, welche das Gedicht durchzieht. Es ist ein melancholisches Gedicht, das die Erfahrung von Verlust, Veränderung und die Suche nach dem eigenen Platz in der Welt eindrücklich reflektiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.