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Traum

Von

Ich sah in meinem schlaf ein bild gleich einem got,
auf einem reichen thron ganz prächtiglich erhaben,
in dessen dienst und schutz zugleich aus lust und not
sich die torechte leut stets haufenweis begaben.
Ich sah, wie dises bild dem wahren got zu spot
empfieng, zwar niemal sat, gelübd, lob, opfergaben
und gab auch wem es wolt das leben und den tod
und pflag sich mit rach, straf und bosheit zu erlaben.
Und ob der himmel schon oftmal, des bilds undank
zu strafen, seine stern versamlete mit wunder,
so war doch des bilds stim noch lauter dan der dunder;
Bis endlich, als sein stolz war in dem höchsten schwank,
da schlug ein schneller blitz das schöne bild herunder,
verkehrend seinen pracht in kot, würm und gestank.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Traum von Georg-Rodolf Weckherlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Traum“ von Georg-Rodolf Weckherlin entwirft ein visionäres Bild von Macht und Korruption, das die Selbstvergötterung einer scheinbar göttlichen Figur und deren letztendlichen Fall darstellt. Zu Beginn des Gedichts beschreibt der Sprecher ein Bild, das er in seinem Schlaf sieht – ein „Bild gleich einem Got“, das auf einem prächtigen Thron sitzt und die gesamte Aufmerksamkeit und Verehrung der Menschen auf sich zieht. Das Bild ist ein Symbol für die Macht, die sowohl aus „Lust“ als auch aus „Not“ in den Dienst aufgenommen wird, was auf eine Mischung von freiwilliger Unterwerfung und Zwang hinweist. Die Menschen, die sich diesem Bild zuwenden, tun dies in der Hoffnung auf Schutz und Hilfe, was auf das grundlegende Bedürfnis der Unterdrückten nach Sicherheit und Geborgenheit verweist.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird das Bild jedoch zunehmend negativ dargestellt. Es wird deutlich, dass es sich nicht um einen wahren Gott handelt, sondern um eine verzerrte, falsche Entität, die von der wahren Göttlichkeit abweicht. Das Bild empfängt „Gelübde, Lob, Opfergaben“, was auf die Verehrung hinweist, die es von den Menschen erhält, jedoch „niemal sat“, also niemals zufrieden, immer hungrig nach mehr Macht und Verehrung. Gleichzeitig wird das Bild mit „Rach, Straf und Bosheit“ in Verbindung gebracht, was auf die brutale und korrupte Natur der Macht hinweist, die nicht nur den Menschen ihre Verehrung abverlangt, sondern auch deren Leben und Tod in die eigenen Hände legt.

Das Bild bleibt unverwundbar gegenüber den Warnungen des Himmels, der in Form von „Wunder“ und „Sternen“ erscheint, um das Bild zu bestrafen. Trotz dieser göttlichen Intervention bleibt der Klang des Bildes „laut und lauter als der Donner“, was seine Unnachgiebigkeit und Arroganz unterstreicht. Der Stolz des Bildes wächst, bis es schließlich, im „höchsten Schwank“, von einem „schnellen Blitz“ getroffen wird. Dieser Blitz symbolisiert den Fall der falschen Macht – ein plötzlicher, unvermeidlicher Sturz, der das Bild von seiner prunkvollen Stellung herabwirft und es in „Kot, Würm und Gestank“ verwandelt. Dieser Fall stellt den endgültigen Verlust der ursprünglichen Größe und der erlangten Macht dar und zeigt die Zerstörung von all dem, was zuvor glänzte, als eine Korrektur der natürlichen Ordnung.

Das Gedicht ist eine scharfe Allegorie auf den Missbrauch von Macht und die Korruption, die sich aus übermäßiger Selbstvergötterung und dem Streben nach Kontrolle über andere ergibt. Die Verwandlung des „schönen Bilds“ in „Kot, Würm und Gestank“ am Ende des Gedichts verdeutlicht den moralischen Verfall und das endgültige Scheitern der falschen Herrschaft. Weckherlin verwendet hier religiöse und symbolische Bilder, um die Vergänglichkeit und den unvermeidlichen Fall von falschen Götzen und tyrannischen Herrschern darzustellen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.