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Meine Seele

Von

Golo Gangi gewidmet

Meine Seele ist eine Schlange,
Die ist schon lange tot,
Nur manchmal in Herbstesmorgen,
Entblättertem Abendrot
Wachse ich steil aus dem Fenster,
Wo fallende Sterne sind,
Über den Blumen und Kressen
Meine Stirne spiegelt
Im stöhnenden Nächte-Wind.

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Gedicht: Meine Seele von Georg Heym

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Meine Seele“ von Georg Heym zeichnet ein düsteres und zugleich symbolisch aufgeladenes Bild innerer Zerrissenheit und Todesnähe. Die Seele des lyrischen Ichs wird mit einer „Schlange“ verglichen, die „schon lange tot“ ist – ein Bild, das Kälte, Erstarrung und vielleicht auch Schuld oder Verdorbenheit suggeriert. Diese tote Schlange verweist auf eine spirituelle Leere und ein Gefühl des Abgestorbenseins im Inneren.

Gleichzeitig gibt es Momente, in denen das lyrische Ich aus dieser inneren Starre erwacht: „manchmal in Herbstesmorgen“ oder im „entblättertem Abendrot“. Der Herbst und der Abend symbolisieren dabei selbst Vergänglichkeit und Melancholie. Das Erwachen geschieht nicht zu einem Leben voller Hoffnung, sondern in einer Welt, die von Abschied und Verfall geprägt ist. Das Motiv des „fallenden Sternes“ verstärkt die Symbolik des Vergehens und der Vergänglichkeit.

Auch der Raum, aus dem das lyrische Ich „steil aus dem Fenster“ wächst, wirkt entrückt und unwirklich. Es scheint wie ein Geisterhaftes, fast körperloses Hervortreten in eine Welt, die vom „stöhnenden Nächte-Wind“ geprägt ist. Die Naturbilder – „Blumen und Kressen“ – stehen im Kontrast zur unruhigen Stimmung und zur inneren Kälte der toten Seele. Die Reflexion der Stirn im Wind deutet auf Selbstwahrnehmung und innere Vereinsamung.

Heym verdichtet in diesem kurzen Gedicht zentrale Motive seines Schaffens: das Erleben von Verlorenheit, die Nähe zum Tod und die Melancholie des Einzelnen in einer lebensfeindlichen Welt. Die Sprache ist schlicht, aber von starker Symbolik durchdrungen, die das Bild einer Seele zeichnet, die von der Welt entfremdet ist und nur noch in kurzen Momenten ihr Dasein spürt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.