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Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein

Von

Eurer sind viele, ihrer sind wenige.

Bet‘ und arbeit‘! ruft die Welt,
Bete kurz! denn Zeit ist Geld.
An die Türe pocht die Not –
Bete kurz! denn Zeit ist Brot.

Und du ackerst und du säst,
Und du nietest und du nähst,
Und du hämmerst und du spinnst –
Sag‘, o Volk, was du gewinnst!

Wirkst am Webstuhl Tag und Nacht,
Schürfst im Erz- und Kohlenschacht,
Füllst des Überflusses Horn,
Füllst es hoch mit Wein und Korn.

Doch wo ist dein Mahl bereit?
Doch wo ist dein Feierkleid?
Doch wo ist dein warmer Herd?
Doch wo ist dein scharfes Schwert?

Alles ist dein Werk! o sprich,
Alles, aber nichts für dich!
Und von allem nur allein,
Die du schmiedst, die Kette, dein?

Kette, die den Leib umstrickt,
Die dem Geist die Flügel knickt,
Die am Fuß des Kindes schon
Klirrt – o Volk, das ist dein Lohn.

Was ihr hebt ans Sonnenlicht,
Schätze sind es für den Wicht;
Was ihr webt, es ist der Fluch
Für euch selbst – ins bunte Tuch.

Was ihr baut, kein schützend Dach
Hat’s für euch und kein Gemach;
Was ihr kleidet und beschuht,
Tritt auf euch voll Übermut.

Menschenbienen, die Natur,
Gab sie euch den Honig nur?
Seht die Drohnen um euch her!
Habt ihr keinen Stachel mehr?

Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Räder stehen still,
Wenn dein starker Arm es will.

Deiner Dränger Schar erblasst,
Wenn du, müde deiner Last,
In die Ecke lehnst den Pflug,
Wenn du rufst: Es ist genug!

Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein von Georg Herwegh

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein“ von Georg Herwegh ist ein kämpferisches Gedicht, das sich gegen die soziale Ungerechtigkeit der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert richtet. Es spricht das Elend und die Ausbeutung der Arbeiter an und ruft zugleich zum Widerstand und zur Selbstermächtigung auf. Herwegh wendet sich direkt an das „Volk“ und beschreibt dessen tägliche Mühen und Opfer, denen jedoch kaum ein gerechter Lohn gegenübersteht.

Durch die kontrastreiche Darstellung von Arbeit und Armut verdeutlicht das Gedicht die zentrale Ungleichheit: Die Arbeiter produzieren den Reichtum („Füllst des Überflusses Horn“), während sie selbst Hunger, Armut und Unterdrückung erleiden („Doch wo ist dein warmer Herd?“). Die Kette, die das lyrische Ich anspricht, steht symbolisch für die Knechtschaft und Unterdrückung, die sich schon im Kindesalter bemerkbar macht. Die wiederkehrende Frage nach dem Lohn der Arbeit zielt auf die zentrale Kritik an der sozialen Ungerechtigkeit der Zeit.

Zugleich wird das Bild der „Menschenbienen“ verwendet, die unablässig arbeiten, während andere – die „Drohnen“ – von ihrem Fleiß profitieren. In diesem Bild steckt eine Aufforderung zur Selbstreflexion: Das Volk soll erkennen, dass es über die eigentliche Macht verfügt. Die rhetorische Frage „Habt ihr keinen Stachel mehr?“ ruft die Arbeiter dazu auf, sich gegen die bestehende Ordnung zu wehren.

Im letzten Teil steigert sich das Gedicht zu einem kämpferischen Aufruf: Die Arbeiter sollen „aufwachen“ und ihre Macht erkennen, denn sie können den gesamten Produktionsprozess stilllegen („Alle Räder stehen still“). Herwegh plädiert hier für einen aktiven Widerstand gegen die Ausbeutung und setzt Freiheit und Gerechtigkeit als Ziel. Die Schlusszeilen „Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!“ fassen die soziale Botschaft eindringlich zusammen: Ohne soziale Gerechtigkeit kann es keine echte Freiheit geben. Das Gedicht ist damit ein frühes Beispiel für politische Lyrik, die zur Solidarität und zum Aufstand gegen soziale Missstände aufruft.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.