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An die deutschen Dichter

Von

Seid stolz! es klingt kein Gold der Welt
Wie eurer Saiten Gold;
Es ist kein Fürst so hoch gestellt,
Dass ihr ihm dienen sollt!

Trotz Erz und Marmor stürb er doch,
Wenn ihr ihn sterben ließet;
Der schönste Purpur ist annoch
Das Blut, das ihr als Lied vergießet!

Der Ruhm der Herrscher wird verweht –
Lobpreis ihn, wer da will!
Man jagt und spornt ihn, doch er steht
Mit ihrem Herzen still.

O lasst sie donnern fort und fort!
An ihrem Grab verhallt es.
Ihr Dichter, sprecht ein grollend Wort,
Und zu dem ew’gen Gotte schallt es!

Es hat dem Vogel in dem Nest
Der Himmel nie gewankt;
Er dünkt die Mächtigen nur fest,
Solang der Thron nicht schwankt!

Palast und Purpur hin und her,
Ob Glanz sie überschütte –
Seid stolz, seid stolz, ihr seid ja mehr;
Seid ihr nicht Könige der Hütte?

Blitzt ewig nicht der Tau im Feld
Gleich wie der Diamant?
Ist nicht ob dieser ganzen Welt
Ein Baldachin gespannt?

Wiegt nicht die Rebe, die hinauf
An einem Strohdach gleitet,
Den unfruchtbaren Efeu auf,
Der sich um Zwingherrnburgen breitet?

Hoch, Sänger, schlage euer Herz,
Wie Lerchen in der Luft!
Es ruht sich besser allerwärts
Als in der Fürstengruft.

Ein Liebchen, das die Treue bricht,
Ist überall zu finden;
Verschmähet mir die Ringe nicht,
Doch lasst euch nie an Ketten binden!

Dem Volke nur seid zugetan,
Jauchzt ihm voran zur Schlacht,
Und liegt’s verwundet auf dem Plan,
So pfleget sein und wacht!

Und so man ihm den letzten Rest
Der Freiheit will verkümmern,
So haltet nur am Schwerte fest
Und lasst die Harfen uns zertrümmern!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: An die deutschen Dichter von Georg Herwegh

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die deutschen Dichter“ von Georg Herwegh ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Unabhängigkeit und die gesellschaftliche Verantwortung der Dichter. Herwegh fordert die Dichter auf, stolz zu sein und sich nicht dem Einfluss von Fürsten oder der Macht des Geldes zu beugen. Kunst und Dichtung werden hier über den weltlichen Ruhm und die politische Macht erhoben. Die Dichter sollen sich nicht den Mächtigen unterwerfen, sondern eine moralische Instanz bleiben, die dem Volk verpflichtet ist.

Herwegh verwendet starke Kontraste, um die Überlegenheit der dichterischen Kraft gegenüber der vergänglichen Macht weltlicher Herrscher zu verdeutlichen. Während der Ruhm der Fürsten „verweht“, haben die Worte der Dichter eine bleibende Wirkung – sie erreichen sogar den „ew’gen Gott“. Das Bild von Palast und Purpur wird der „Hütte“ gegenübergestellt, in der die Dichter als „Könige“ leben. Damit betont Herwegh, dass wahre Größe nicht in Reichtum und Macht, sondern in der künstlerischen und geistigen Freiheit liegt.

Der Naturvergleich im Mittelteil des Gedichts verstärkt diese Haltung. Die Natur wird als universelle und gerechte Instanz dargestellt – „der Tau im Feld“ funkelt wie ein „Diamant“, unabhängig vom sozialen Stand. Auch die Rebe am Strohdach wird dem „Efeu auf Zwingherrnburgen“ gegenübergestellt, was die Nähe der Dichter zum einfachen Volk und zur Natur unterstreicht.

Am Ende wird der Aufruf radikaler: Die Dichter sollen dem Volk in seiner Not und im Kampf für Freiheit beistehen. Herwegh beschwört eine enge Verbindung zwischen dichterischer Aufgabe und politischem Engagement. Wenn es nötig sei, die Freiheit zu verteidigen, dann sollen die Dichter sogar ihre „Harfen zertrümmern“ und zur Waffe greifen. Das Gedicht verbindet so künstlerische Berufung mit dem Aufruf zum Widerstand gegen Unterdrückung und für gesellschaftliche Veränderung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.