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Gedankenflüge

Von

Nichts kann in dieser Welt in Nichts verschwinden,
Ein Etwas bleibt stets was ein Etwas war,
In andrer Form nur muß sich′s wiederfinden,
Aus Raum und Zeit stellt sich der Wechsel dar:
Die Blätter keimen, grünen und verwehen,
Geschlechter kommen und Geschlechter gehen.

Eins nur beharrt in der Verändrung Wogen
Und baut sich fort, wenn alles steigt und fällt.
Es überwölbt mit hoch erhab′nem Bogen
Den Zeitenstrom der körperlichen Welt:
Das ist die Brücke, die der Geist geschlagen,
Um uns vom Irdischen zu Gott zu tragen.

Das Volk des Perikles hat ausgerungen
Und längst erblindete sein Ehrenschild,
Homers und Pindars Leier ist verklungen
Und ach, zermalmt des Phidias Götterbild:
Doch ob auch die Akropolis zerfallen,
Der Geist von Hellas lebt noch in uns Allen.

Denn er allein hat mit Titanenkräften
In alter Zeit den festen Grund gelegt,
Der über sich auf prächt′gen Säulenschäften
Der Ewigkeit gewalt′gen Tempel trägt.
Wohl sieht man Volk auf Volk dran weiter bauen,
Doch wird ihn je die Welt vollendet schauen?

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Gedicht: Gedankenflüge von Oskar Jerschke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Gedankenflüge“ von Oskar Jerschke entfaltet eine tiefgründige Reflexion über die Unvergänglichkeit des Geistes inmitten des Wandels in der Welt. Es beginnt mit der These, dass nichts in absolutes Nichts verschwindet, sondern sich lediglich in veränderter Form manifestiert. Dieses zyklische Prinzip, das von der Natur (Blätter, Geschlechter) vorgelebt wird, dient als Fundament für die nachfolgende Betrachtung der menschlichen Existenz und insbesondere des Geistes.

Der zweite Teil des Gedichts hebt den Geist als eine beständige Größe hervor, die über den Fluss der Zeit hinausreicht. Er wird als „Brücke“ beschrieben, die den Menschen vom Irdischen zu einer transzendenten Dimension, zu Gott, führt. Dieses Bild unterstreicht die erhebende und verbindende Kraft des Geistes, der die Vergänglichkeit des Körpers und der materiellen Welt überwindet. Die Metapher der „Brücke“ deutet auf eine Verbindung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen hin.

In der dritten Strophe wird die Vergangenheit als Beispiel für die Unsterblichkeit des Geistes herangezogen. Die großen Leistungen des antiken Griechenlands, verkörpert durch Perikles, Homer, Pindar und Phidias, werden in Erinnerung gerufen. Obwohl ihre physischen Manifestationen (Ehrenschild, Leier, Götterbild) vergangen sind, lebt der Geist von Hellas in der Gegenwart weiter. Dies verdeutlicht, dass der Geist, die Ideen und die Errungenschaften, die von diesen Persönlichkeiten geschaffen wurden, überdauern und weiterhin Einfluss ausüben. Die Akropolis, das Symbol der griechischen Kultur, mag zerfallen sein, doch die Werte und Erkenntnisse, für die sie stand, sind noch gegenwärtig.

Die abschließende Strophe bekräftigt die dauerhafte Bedeutung des Geistes als Grundlage für die menschliche Zivilisation. Er wird als „fester Grund“ bezeichnet, auf dem der „Tempel der Ewigkeit“ erbaut wird. Die Frage, ob die Welt jemals vollendet sein wird, deutet auf eine kontinuierliche Entwicklung und die fortwährende Auseinandersetzung des Menschen mit seinen geistigen und kulturellen Werten hin. Das Gedicht feiert somit die Fähigkeit des Geistes, über die Grenzen der Zeit und des Vergänglichen hinaus zu bestehen und die Menschheit zu verbinden und zu bereichern.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.