Für die Zukunft
Wer heut′ nicht die eigenen Zeiten versteht,
Den lasse der Himmel nur sterben,
Eh′ die glimmende Welt in Flammen aufgeht
Und die Marmorpaläste verderben;
Eh′ die Throne versinken im siedenden Meer
Und der Blutrauch dampft durch die Gassen einher.
Glückselig die Menschen, die taumelfroh
Sich durch das Jahrhundert trollen,
Champagner trinken, ob lichterloh
Auch draußen die Blitze rollen,
Die nie beim Gelag′ der Gedanke bedräut:
»Die Welt kann nimmer so bleiben wie heut.«
Hier Haufen von Gold und Demant und Geschmeid′,
Dort auch nicht ein Heller zu finden;
Hier brausende, sausende Herrlichkeit,
Dort trockene Schwarzbrodrinden.
Gott-Vater im Himmel schick′ einen Prophet′,
Der der Welt in′s Gewissen zu reden versteht.
Schick′ einen Propheten in′s gährende Land,
Der soll die Paläste besuchen,
Der soll an die marmorspiegelnde Wand
In Flammenschrift schreiben und buchen,
Auf daß es die Prasser mit Grausen erfaßt:
Auf einem Vulkan steht unser Palast.
Auf daß sie gewarnt, noch eh′ es zu spät,
Eh′ die Wogen des Aufruhrs stürmen,
Eh′ die rohe Gewalt wie die Sense mäht
Und die Barrikaden sich thürmen;
Der hungernde Haufe mit Pechkranz und Blei
Ertrotzt, daß das Glück auch ihm hold nun sei.
Dann gilt nichts Heiliges mehr auf der Welt,
Es stürzen Kirch′ und Kapellen.
Die Liebe verroht und der Glaube zerschellt,
Das Mitleid begraben die Wellen.
Die Massen nur raufen sich um das Gold,
Das über die dampfenden Trümmer rollt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Für die Zukunft“ von Oskar Jerschke ist eine eindringliche Warnung vor den sozialen Ungerechtigkeiten und dem drohenden Untergang einer Gesellschaft, die sich von den Zeichen der Zeit verblendet zeigt. Es beschreibt eine Welt am Rande des Abgrunds, in der die Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen Genuss und Entbehrung, so groß ist, dass sie eine soziale Explosion unvermeidlich macht. Die Verwendung bildhafter Sprache, wie die „glimmende Welt in Flammen“ und die „Marmorpaläste“, die „verderben“, erzeugt eine düstere Atmosphäre, die die Dringlichkeit der Warnung verstärkt.
Der Autor prangert die Ignoranz und Selbstgefälligkeit der Reichen an, die sich in ihrem Luxus taumeln, während sie die Anzeichen der nahenden Katastrophe übersehen. Die Zeilen „Champagner trinken, ob lichterloh / Auch draußen die Blitze rollen“ zeigen deutlich die Blindheit für die gesellschaftlichen Missstände. Jerschke stellt die Reichen als Menschen dar, die sich in ihren Genüssen wiegen, ohne die drohende Gefahr zu erkennen, die in den Ungerechtigkeiten der Welt begründet liegt. Die Hoffnung des Dichters richtet sich auf die Ankunft eines Propheten, der die Botschaft des Wandels verkünden und die Gesellschaft aufrütteln soll.
Die Prophezeiung des Dichters beschreibt, wie eine Revolution zu Chaos und Zerstörung führt, wenn die Ungerechtigkeiten nicht behoben werden. Das Gedicht entwirft ein düsteres Szenario, in dem alles, was heilig ist, zerstört wird: Religion, Liebe und Mitgefühl. Die Metapher des Vulkans, auf dem der Palast errichtet wurde, unterstreicht die Brüchigkeit der scheinbaren Stabilität und das nahende Unglück. Das Gedicht dient als Appell, die Zeichen der Zeit zu erkennen und Veränderungen herbeizuführen, bevor die Welt durch Gewalt und Zerstörung untergeht.
Die Sprache des Gedichts ist eindringlich und drastisch, mit klaren Bildern und einer klaren moralischen Botschaft. Es verwendet rhetorische Fragen und eine direkte Ansprache, um das Publikum zu erreichen und zum Nachdenken anzuregen. Der Autor wählt Worte, die Emotionen wie Angst, Wut und Hoffnung auslösen. Durch diese Sprachwahl wird die Dringlichkeit der Botschaft unterstrichen und der Leser in die drohende Apokalypse hineingezogen. Das Gedicht ist ein Aufruf zur Wachsamkeit und zur Aktion, um eine bessere Zukunft zu sichern.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.