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Früher Apollo

Von

Wie manches Mal durch das noch unbelaubte
Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz
im Frühling ist: so ist in seinem Haupte
nichts, was verhindern könnte, daß der Glanz

aller Gedichte uns fast tödlich träfe;
denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun,
zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe,
und später erst wird aus den Augenbraun

hochstämmig sich der Rosengarten heben,
aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst
hintreiben werden auf des Mundes Beben,

der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend
und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend,
als würde ihm sein Singen eingeflößt.

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Gedicht: Früher Apollo von Rainer Maria Rilke

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Früher Apollo“ von Rainer Maria Rilke ist eine poetische Annäherung an die Vorstellung des jungen, noch unfertigen Apollo, der Gottheit der Künste und des Lichtes. Das Gedicht beschreibt den Zustand, bevor Apollo seine volle künstlerische Macht entfaltet hat. Der Fokus liegt auf dem Werden und der Vorbereitung, auf der noch ungestillten Schönheit, die sich in der Zukunft manifestieren wird. Die Naturmetaphern und die behutsame Sprache erzeugen eine Atmosphäre der Hoffnung und des unaufhaltsamen Wachstums.

Rilke vergleicht den jungen Apollo mit einem „Morgen durch(s) noch unbelaubte Gezweig“, was sofort die Assoziation von Frühling, neuem Leben und dem Durchbruch des Lichts weckt. Das Gedicht suggeriert, dass Apollo in seiner Jugend noch frei von den Einschränkungen und dem Schatten ist, die mit der Reife und dem Vollbringen einhergehen. Seine Augen sind noch „ohne Schatten“, seine Schläfen „zu kühl für Lorbeer“. Diese Bilder beschreiben einen Zustand der Unschuld und der Vorbereitung, bevor die künstlerische und geistige Reife erreicht ist. Die Naturbilder wie „Gezweig“ und der „Rosengarten“ unterstreichen das organische Werden und Wachsen des Künstlers.

Die letzten Verse des Gedichts beschreiben, wie sich aus den „Augenbraun“ des Apollo ein „hochstämmiger… Rosengarten heben“ wird, aus dem die Blätter, also die Gedichte, „auf des Mundes Beben“ herabsteigen werden. Dies deutet darauf hin, dass die Gedichte des Apollos aus einer Quelle der Schönheit und der Kreativität entspringen werden. Der „Mund“ des Apollo ist noch „still“, ungebraucht und „blinkend“, aber sein „Lächeln“ deutet bereits auf das „Singen“ hin, das ihm „eingeflößt“ wird. Dies unterstreicht die Idee, dass das Talent bereits vorhanden ist und nur auf seine Entfaltung wartet.

Insgesamt ist das Gedicht eine Feier des Potenzials und der Vorbereitung. Es feiert die Zeit vor der vollen Entfaltung der Kunst, in der alles möglich ist. Rilke beschreibt auf kunstvolle Weise das Gefühl der Vorfreude auf die künstlerische Meisterschaft und die Vorstellung, dass die Welt der Kunst aus einer Quelle der Schönheit und des Lichts hervorgeht, die im jungen Apollo verkörpert wird. Es ist eine Hommage an die Unschuld und das Versprechen, das in der Jugend und im Werden jedes Künstlers liegt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.