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An Minna

Von

Träum‘ ich? Ist mein Auge trüber?
Nebelt’s mir ums Angesicht?
Meine Minna geht vorüber?
Meine Minna kennt mich nicht?
Die am Arme seichter Toren
Blähend mit dem Fächer ficht,
Eitel in sich selbst verloren –
Meine Minna ist es nicht.

Von dem Sommerhute nicken
Stolze Federn, mein Geschenk;
Schleifen, die den Busen schmücken,
Rufen: Minna, sei gedenk!
Blumen, die ich selbst erzogen,
Zieren Brust und Locken noch –
Ach, die Brust, die mir gelogen!
Und die Blumen blühen doch!

Geh, umhüpft von leeren Schmeichlern!
Geh, vergiss auf ewig mich!
Überliefert feilen Heuchlern,
Eitles Weib, veracht‘ ich dich.
Geh! dir hat ein Herz geschlagen,
Dir ein Herz, das edel schlug,
Groß genug, den Schmerz zu tragen,
Dass es einer Törin schlug.

In den Trümmern deiner Schöne
Seh‘ ich dich verlassen stehn,
Weinend in die Blumenszene
Deines Mai’s zurücke sehn.
Schwalben, die im Lenze minnen,
Fliehen, wenn der Nordsturm weht;
Buhler scheucht dein Herbst von hinnen,
Einen Freund hast du verschmäht.

Die mit heißem Liebesgeize
Deinem Kuss entgegenflohn,
Zischen dem erloschnen Reize,
Lachen deinem Winter Hohn.
Ha! wie will ich dann dich höhnen!
Höhnen? Gott bewahre mich!
Weinen will ich bittre Tränen,
Weinen, Minna, über dich!

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Gedicht: An Minna von Friedrich von Schiller

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An Minna“ von Friedrich von Schiller thematisiert den Schmerz einer enttäuschten Liebe, die in Bitterkeit, Zorn und am Ende in mitleidigem Bedauern mündet. In klassischer Eleganz, aber mit deutlich persönlicher Emphase, schildert das lyrische Ich seine Begegnung mit einer einst geliebten Frau, die sich entfremdet hat und nun der Eitelkeit und gesellschaftlichen Oberflächlichkeit hingegeben scheint. Das Gedicht schwankt dabei zwischen Anklage und Trauer, Stolz und Verletzlichkeit.

Bereits der Beginn stellt den Bruch unmittelbar vor Augen: Die Minna, einst Geliebte, geht vorüber – erkennt ihn nicht, ignoriert ihn womöglich. Der Anblick erschüttert den Sprecher tief. Die Minna ist nicht mehr diejenige, die sie einmal war: Sie zeigt sich inmitten einer oberflächlichen Gesellschaft, kokettierend und selbstbezogen, „blähend mit dem Fächer“. Trotz der äußeren Zeichen gemeinsamer Vergangenheit – Hut, Schleifen, Blumen –, bleibt sie innerlich unberührt. Die symbolische Gegenüberstellung zwischen den „blühenden“ Blumen und der „gelogenen“ Brust macht den Schmerz des Ichs besonders deutlich: Was äußerlich weiterlebt, ist innerlich zerstört.

Im mittleren Teil steigert sich die Enttäuschung in scharfe Vorwürfe. Die einst geliebte Frau erscheint nun als „eitles Weib“, das sich selbst und den wahren Wert der Liebe verraten hat. Die schärfste Kränkung liegt darin, dass ein „edles“ Herz – also ein wahrhaft liebendes – von ihr verschmäht wurde. Hier spricht ein tiefes Bedürfnis nach Anerkennung aus dem Ich: Es leidet nicht nur am Verlust der Liebe, sondern daran, dass seine innere Größe nicht gesehen wurde.

In den letzten beiden Strophen kehrt sich die Perspektive. Das Gedicht imaginiert Minnas Zukunft: Ihre Schönheit wird vergehen, ihre Buhler werden sie verlassen, und sie wird auf ihre Jugendzeit – den „Mai“ – mit Wehmut zurückblicken. Doch der Sprecher kündigt nicht Rache, sondern Mitleid an. Der ursprüngliche Zorn weicht einer menschlicheren Regung: „Weinen will ich bittre Tränen, / Weinen, Minna, über dich!“ – eine Wendung, die dem Gedicht emotionale Tiefe verleiht.

„An Minna“ ist ein klassisches Beispiel für Schillers Fähigkeit, persönliche Kränkung in eine sprachlich kunstvolle, psychologisch nuancierte lyrische Form zu bringen. Der Text vereint klassische Strenge mit empfindsamer Leidenschaft und reflektiert über Vergänglichkeit, Selbsttäuschung und die moralische Größe eines liebenden Menschen im Angesicht von Zurückweisung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.