Anacreon
In Tejos und in Samos
Und in der Stadt Minervens
Sang ich von Wein und Liebe,
Von Rosen und vom Frühling,
Von Freundschaft und von Tänzen;
Doch höhnt ich nicht die Götter,
Auch nicht der Götter Diener,
Auch nicht der Götter Tempel,
Wie hieß ich sonst der Weise?
Ihr Dichter voller Jugend,
Wollt ihr bey froher Musse
Anacreontisch singen;
So singt von milden Reben,
Von rosenreichen Hecken,
Vom Frühling und von Tänzen,
Von Freundschaft und von Liebe;
Doch höhnet nicht der Gottheit,
Auch nicht der Gottheit Diener,
Auch nicht der Gottheit Tempel.
Verdienet, selbst im Scherzen,
Den Namen echter Weisen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Anacreon“ von Friedrich von Hagedorn ist eine poetische Reflexion über die Rolle und Haltung des Dichters, inspiriert vom antiken griechischen Lyriker Anakreon, der für seine Lieder über Liebe, Wein und Lebensfreude bekannt war. Hagedorn übernimmt diese Tradition und verbindet sie mit einem moralischen Appell an seine Zeitgenossen.
Das lyrische Ich erinnert sich daran, wie es – wie Anakreon – in verschiedenen Städten über heitere Themen wie „Wein und Liebe“, „Rosen und Frühling“, „Freundschaft und Tänze“ gesungen hat. Diese klassischen Motive der anakreontischen Dichtung stehen für Lebensgenuss, Vergnügen und Leichtigkeit. Doch gleichzeitig betont das lyrische Ich, dass es nie die „Götter“ oder deren „Diener“ verspottet hat. Hierin liegt der Kern der Botschaft: Die Freude am Leben soll mit Respekt vor dem Göttlichen und dem Heiligen einhergehen.
In der zweiten Strophe richtet sich der Sprecher an die „Dichter voller Jugend“ und fordert sie auf, im Geiste Anakreons unbeschwerte Themen zu besingen, ohne dabei in Spott oder Respektlosigkeit gegenüber der Religion oder dem Göttlichen zu verfallen. Auch im scherzhaften Ton – also in der Leichtigkeit der anakreontischen Poesie – solle der Dichter den „Namen echter Weisen“ verdienen, indem er Maß und Achtung bewahrt.
Das Gedicht verbindet somit die Freude am Leben mit einer moralischen Verantwortung des Dichters. Die Lebenslust und das Feiern des Schönen sind erlaubt und sogar erwünscht, sollen jedoch von einer inneren Haltung geprägt sein, die Respekt gegenüber dem Höheren zeigt. So entsteht ein harmonisches Bild von Dichtung, die zwischen Genuss und Weisheit, zwischen Freiheit und Achtung vermittelt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.