An Fatima
O Mädchen, dein beseligend Angesicht
Übt größere Wunder als das Sonnenlicht!
Die Sonne kann uns nicht mit Glut erfüllen,
Wenn Nacht und Wolken ihren Glanz verhüllen,
Sie muß in ganzer Majestät sich zeigen,
In uns die Glut zu wecken, die ihr eigen.
Dich aber, Mädchen, brauch‘ ich nicht zu sehn,
Um ganz in Glut und Wonne zu vergehn:
So strahlend lebt dein Bild in meinem Innern,
Ich brauche bloß mich deiner zu erinnern.
Ich glühe für dich – aber kalt bleibst du,
Und selber ruhig, – raubst du meine Ruh.
Oh, fühle selbst die Glut, die du entfachst,
Sei selbst so glücklich, wie du glücklich machst!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An Fatima“ von Friedrich von Bodenstedt drückt eine leidenschaftliche, jedoch unerfüllte Liebe aus. Zu Beginn wird Fatima mit einer außergewöhnlichen Schönheit und Anziehungskraft beschrieben, die mehr „Wunder“ wirkt als das Sonnenlicht. Die Sonne, obwohl sie Wärme und Energie spendet, ist nicht in der Lage, ihre Wirkung zu entfalten, wenn sie von „Nacht und Wolken“ verdeckt wird. In diesem Bild wird das Angesicht von Fatima als eine noch mächtigere, ungetrübte Quelle von „Glut“ und Leidenschaft dargestellt, die den Sprecher mit einer intensiven inneren Hitze erfüllt.
In der zweiten Strophe wird diese Liebe vertieft, indem der Sprecher erklärt, dass er Fatima nicht einmal sehen muss, um in „Glut und Wonne“ zu vergehen. Ihr „Bild“ lebt in seinem Innern, was auf eine fast übernatürliche Vorstellungskraft und das ständige Verweilen ihres Bildes im Geist hinweist. Diese Erinnerung reicht aus, um eine starke, leidenschaftliche Reaktion zu erzeugen, was die Macht ihrer Ausstrahlung und Wirkung auf den Sprecher verdeutlicht.
Allerdings wendet sich das Gedicht in der dritten Strophe von der intensiven Verehrung hin zu einem Gefühl der Frustration und des Leidens. Trotz der Leidenschaft, die der Sprecher für Fatima empfindet, bleibt sie „kalt“ und „ruhig“, was auf eine Gleichgültigkeit oder Unbeweglichkeit ihrer Seite hindeutet. Diese ungehobene Reaktion raubt dem Sprecher seine „Ruhe“ und lässt ihn mit einer inneren Unzufriedenheit zurück. Hier wird die Ungleichheit der Gefühle zwischen dem Sprecher und Fatima thematisiert, was eine schmerzhafte Spannung in ihrer Beziehung aufbaut.
Im abschließenden Vers wendet sich der Sprecher direkt an Fatima und fordert sie auf, die „Glut“ zu fühlen, die sie in ihm entfacht hat. Er wünscht sich, dass sie die gleiche Glückseligkeit und Leidenschaft empfindet, die sie ihm gibt. Dieser Appell verdeutlicht die ungleiche Dynamik zwischen den beiden und das Verlangen des Sprechers, dass auch Fatima die Intensität seiner Gefühle erkennt und erwidert.
Insgesamt behandelt das Gedicht die Themen der unerwiderten Liebe, der Sehnsucht und der inneren Spannung zwischen der Leidenschaft des Sprechers und der kühlen Distanz von Fatima. Bodenstedt beschreibt die überwältigende Kraft der Liebe und die qualvolle Erfahrung, wenn diese Liebe nicht erwidert wird.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.