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Die Liebe

Von

Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr die Euern all,
O ihr Dankbaren, sie, euere Dichter schmäht,
Gott vergeb es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.

Denn o saget, wo lebt menschliches Leben sonst,
Da die knechtische jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos über dem Haupt uns längst.

Doch, wie immer das Jahr kalt und gesanglos ist
Zur beschiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Grüne Halme doch sprossen,
Oft ein einsamer Vogel singt,

Wenn sich mählich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht
Zur erlesenen Stunde,
So ein Zeichen der schönern Zeit,

Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch,
Einzig edel und fromm über dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.

Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir
Mit Gesange gepflegt, wenn des ätherischen
Nektars Kräfte dich nähren,
Und der schöpfrische Strahl dich reift.

Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere,
Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!

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Gedicht: Die Liebe von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Liebe“ von Friedrich Hölderlin thematisiert die unsterbliche und göttliche Natur der Liebe und ihre Bedeutung für das menschliche Leben. Zu Beginn fordert der Sprecher die Menschen auf, die wahre Bedeutung der Liebe zu erkennen, indem er diejenigen tadelt, die sich von der Liebe abwenden und die „Dichter schmähen“. Hölderlin fordert dazu auf, die „Seele der Liebenden“ zu ehren, da sie das wahre Leben und die wahre menschliche Erfahrung repräsentiert. Die Liebe, die als göttliche Kraft dargestellt wird, ist die einzige Quelle des wahren Lebens, das nicht durch „Sorge“ und „knechtische“ Zwangsmaßnahmen bestimmt wird. Der „Gott“ wandelt sorglos über den Menschen, was auf die Freiheit und Erhabenheit der Liebe im Vergleich zu den weltlichen Beschränkungen hinweist.

Der Sprecher beschreibt die Liebe als ein „Zeichen der schöneren Zeit“, das in den Übergängen der Natur symbolisiert wird. Der Winter mag kalt und gesanglos sein, doch mit dem Frühling kehren die grünen Halme und der Gesang der Vögel zurück – eine Metapher für die Wiedergeburt der Liebe und der Hoffnung im Leben. So wie die Natur sich in regelmäßigen Zyklen erneuert, so wächst und gedeiht auch die Liebe, die als göttliche „Tochter Gottes“ im Menschen erwacht. Es ist ein Akt der Reinheit und Göttlichkeit, die aus dem „wilden Boden“ des Lebens hervorkommt und sich selbst über alle Widrigkeiten hinaus entfaltet.

In der dritten Strophe spricht der Sprecher die Liebe als eine „himmlische Pflanze“ an, die nur durch den „ätherischen Nektar“ des Göttlichen genährt wird. Die Metaphorik des Wachstums und der Reifung unterstreicht die transformative Kraft der Liebe, die den Menschen zu einer höheren, volleren Existenz führt. Die Liebe soll nicht nur im Herzen der Individuen gedeihen, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes durchdringen, indem sie zur „Sprache des Landes“ wird. Diese Verbindung zwischen individueller und kollektiver Liebe schafft eine Einheit, die das gesamte Volk durchdringt.

Das Gedicht endet mit dem Wunsch, dass die Liebe sich zum „Wald“ entfaltet, ein Bild von Fülle, Leben und Energie. Die Sprache der Liebe wird als die Sprache des gesamten Volkes dargestellt, die in Harmonie mit der Natur und dem Göttlichen spricht. Hölderlin stellt die Liebe als eine übergeordnete Kraft dar, die nicht nur den Einzelnen, sondern auch die Gemeinschaft in ein höheres, göttliches Verständnis der Welt führt. Die Liebe wird hier als das größte und reinste Gut angesehen, das sowohl den Einzelnen als auch die Gesellschaft transformieren kann, indem sie in den Menschen die göttliche Essenz wiederbelebt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.