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Die Eichbäume
Aus den Gärten komm‘ ich zu euch, ihr Söhne des Berges!
Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,
Pflegend und wieder gepflegt mit dem fleißigen Menschen zusammen.
Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen
In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,
Der euch nährt‘ und erzog und der Erde, die euch geboren.
Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,
Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,
Unter einander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,
Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken
Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.
Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels
Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.
Könnt‘ ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer
Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.
Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,
Das von Liebe nicht läßt, wie gern würd‘ ich unter euch wohnen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Eichbäume“ von Friedrich Hölderlin stellt einen kraftvollen Kontrast zwischen der behäbigen, von Menschen gepflegten Natur und den majestätischen, ungezähmten Eichbäumen auf. Zu Beginn schildert der Sprecher, wie er aus den Gärten kommt – einem Symbol für die kultivierte, menschliche Welt, die von Arbeit und Pflege geprägt ist. In den Gärten lebt die Natur in enger Zusammenarbeit mit dem Menschen, geduldig und häuslich. Diese Welt steht im Gegensatz zu den „Herrlichen“ Eichbäumen, die als Symbol für eine wilde, ungebändigte Natur erscheinen. Die Bäume „gehören nur euch und dem Himmel“, was ihre Unabhängigkeit und ihre göttliche Verbindung zur Erde und zum Himmel unterstreicht.
Die Eichbäume werden als „Volk von Titanen“ beschrieben, was sie als imposante, überlegene Wesen darstellt. Sie stehen in einem „freien Bunde zusammen“ und besitzen eine Kraft, die sie über die alltägliche Welt hinaus erhebt. Ihre „kräftigen Wurzeln“ und ihre „sonnige Krone“ symbolisieren das Leben in Verbindung mit der Erde und dem Himmel, das von Freiheit, Größe und Unabhängigkeit geprägt ist. Die Bäume sind unberührt von der „Schule der Menschen“, was bedeutet, dass sie nicht den Zwängen und Beschränkungen unterliegen, die die menschliche Welt prägen. Sie leben in einer vollkommenen Freiheit, ohne die sozialen Fesseln der menschlichen Gesellschaft.
Der Sprecher drückt seinen Wunsch aus, ebenfalls ein Teil dieser freien und majestätischen Welt zu sein. Er bewundert die Eichbäume und ihre Unabhängigkeit und empfindet eine gewisse Neid auf ihre Fähigkeit, sich dem menschlichen Einfluss zu entziehen. Doch gleichzeitig gesteht er, dass er selbst in der menschlichen Welt gefangen ist, besonders von der „Liebe“, die ihn an das „gesellige Leben“ bindet. Trotz dieses Gefühls der Gefangenheit bleibt die Sehnsucht nach der Freiheit und der Größe der Bäume bestehen. Der Sprecher erkennt die Kluft zwischen der geselligen, von Menschen bestimmten Welt und der wilden, göttlichen Natur der Eichbäume, in der er sich jedoch nur schwer befreien kann.
Das Gedicht thematisiert die Spannung zwischen der menschlichen Zivilisation und der ungebändigten Natur. Es ist ein Plädoyer für die Freiheit und die Größe der Natur, die in ihrer Selbstgenügsamkeit und Unabhängigkeit ein ideales Bild von Leben und Existenz vermittelt. Doch gleichzeitig ist der Sprecher in der menschlichen Welt gefangen, was das Gedicht zu einem Ausdruck von Sehnsucht und dem inneren Konflikt zwischen gesellschaftlicher Zugehörigkeit und dem Wunsch nach natürlicher Unabhängigkeit macht.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.