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Der Abschied

Von

Trennen wollten wir uns? Wähnten es gut und klug?
Da wir’s taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.

Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies eine vermag ich nicht.

Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn,
Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
Und es fodert die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.

Wohl! ich wußt es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.

Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einsame ziehe,
Und noch unser der Abschied sei!

Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
Heil’gen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei!

Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit
Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
Dann das Wünschen und friedlich
Gleich den Seligen, fremd sind wir,

Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab,
Sinnend, zögernd, doch itzt faßt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,

Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit, hör ich und Saitenspiel,
Und befreiet, in Lüfte
Fliegt in Flammen der Geist uns auf.

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Gedicht: Der Abschied von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Abschied“ von Friedrich Hölderlin beschäftigt sich mit der inneren Zerrissenheit und dem schmerzhaften Prozess des Abschieds. Zu Beginn reflektiert der Sprecher über die Entscheidung, sich zu trennen, die zunächst als „gut und klug“ erschien, doch in der Tat als etwas äußerst Schmerzliches empfunden wird. Der Begriff des „Gottes in uns“ verdeutlicht, dass der Sprecher die Liebe als eine höhere, fast göttliche Kraft wahrnimmt, die in beiden Menschen wirkt und die Entscheidung, sich zu trennen, unerträglich macht.

Im weiteren Verlauf des Gedichts erkennt der Sprecher die Grenzen des menschlichen Verständnisses und das Unvermögen, diese göttliche Macht zu verraten. Die „Seele“ fordert im alltäglichen Leben ihre Opfer, und der innere Konflikt zwischen Liebe und der äußeren Welt wird deutlich. Der Gedichtende spricht von einem „Haß“, der Menschen und Götter trennt, was das tragische Element des Gedichts verstärkt. Dieser Hass, der „Götter und Menschen trennt“, erfordert ein Opfer – das „vergehende Herz der Liebenden“, was auf die Zerbrechlichkeit menschlicher Bindungen hinweist.

Das Motiv des Schweigens am Ende des Gedichts reflektiert die Erschöpfung und das Verlangen nach innerem Frieden. Der Sprecher bittet darum, das „Tödliche“ des Abschieds nicht mehr zu sehen, sondern sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Die Erwähnung des „Lethetranks“, ein Verweis auf den Fluss der Vergessenheit aus der griechischen Mythologie, zeigt den Wunsch nach vollständigem Vergessen der schmerzhaften Vergangenheit. Der Sprecher sucht eine endgültige Erlösung von der Qual des Abschieds.

Das Gedicht endet mit einer Vision des Friedens, in der der Sprecher und seine geliebte Person, Diotima, in einer fernen Zukunft wieder vereint sind, aber verändert – „verblutet“ und „fremd“ – in einem Zustand des Friedens und der Ruhe. Die „Stimmen und süßen Sang“ symbolisieren eine Rückkehr zur Harmonie und zur göttlichen Verbindung, die jedoch nicht mehr dieselbe ist wie zu ihren früheren, leidenschaftlichen Tagen. Hölderlin beschreibt hier eine Transformation der Liebe, von der leidenschaftlichen Vereinigung hin zu einer mystischen, spirituellen Verbindung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.