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Da ich ein Knabe war…

Von

Da ich ein Knabe war,
Rettet‘ ein Gott mich oft
Vom Geschrei und der Rute der Menschen,
Da spielt ich sicher und gut
Mit den Blumen des Hains,
Und die Lüftchen des Himmels
Spielten mit mir.

Und wie du das Herz
Der Pflanzen erfreust,
Wenn sie entgegen dir
Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut,
Vater Helios! und, wie Endymion,
War ich dein Liebling,
Heilige Luna!

O all ihr treuen
Freundlichen Götter!
Daß ihr wüßtet,
Wie euch meine Seele geliebt!

Zwar damals rief ich noch nicht
Euch mit Namen, auch ihr
Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen,
Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,
Als ich je die Menschen gekannt,
Ich verstand die Stille des Aethers,
Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut
Des säuselnden Hains
Und lieben lernt ich
Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.

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Gedicht: Da ich ein Knabe war… von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Da ich ein Knabe war…“ von Friedrich Hölderlin reflektiert eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und eine kindliche, unbeschwerte Beziehung zu den Göttern. Zu Beginn schildert der Sprecher, wie er als Knabe von einem Gott oft vor den Gefahren und Härten des Lebens gerettet wurde, symbolisiert durch das „Geschrei und die Rute der Menschen“. Die Natur erscheint ihm als ein sicherer Zufluchtsort, wo er mit den Blumen des Hains spielt und die Lüfte mit ihm tanzen – eine Darstellung von Unschuld und Freiheit.

Im weiteren Verlauf des Gedichts wird eine besonders enge Verbindung zu den Göttern betont. Der Sprecher vergleicht sich mit Endymion, dem geliebten Jüngling des Mondes, und spricht von einer zärtlichen Beziehung zu den Himmelswesen. Besonders „Vater Helios“ und „Heilige Luna“ werden als liebevolle, väterliche Figuren dargestellt, die das Herz des Sprechers erfreuen und ihn schützen. Hier wird eine tiefe Verehrung für die Götter und eine kindliche, unbewusste Bindung an sie deutlich, als ob sie ihm immer schon nahe waren, ohne dass er ihre Namen kannte oder sie in menschlicher Form ansprechbar wären.

Der Gegensatz zwischen der „Stille des Äthers“ und den „Worten der Menschen“ verdeutlicht die Überlegenheit der Natur und der göttlichen Ordnung im Vergleich zu den unklaren und oft verwirrenden menschlichen Interaktionen. Der Sprecher fühlt sich in der Stille der Natur verstanden und „erzogen“ – er wächst im Einklang mit den Göttern und lernt die Sprache der Blumen und Lüfte. Diese kindliche Unschuld, die das Leben im Einklang mit der Natur und den Göttern beschreibt, steht im Kontrast zur späteren, von Menschen geprägten Welt, in der der Sprecher sich fremd fühlt.

In der letzten Strophe wird die Idee der göttlichen Erziehung verstärkt, indem der Sprecher seine eigene Entwicklung im „Arme der Götter“ beschreibt. Hier wird das Bild des Heranwachsens als ein sanftes, geführtes Wachstum in Harmonie mit der Natur und den göttlichen Mächten hervorgehoben. Hölderlin stellt die Beziehung zu den Göttern als eine heilige und friedliche Bindung dar, die den Sprecher auf eine Weise formte, die ihm die „Stille des Äthers“ als tieferen Sinn des Lebens erschloss, weit über das menschliche Wort hinaus.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.