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Ich und du

Von

Wir träumten voneinander
und sind davon erwacht.
Wir leben, um uns zu lieben,
und sinken zurück in die Nacht.

Du tratst aus meinem Traume,
aus deinem trat ich hervor.
Wir sterben, wenn sich eines
im andern ganz verlor.

Auf einer Lilie zittern
zwei Tropfen, rein und rund,
zerfliessen in eins und rollen
hinab in des Kelches Grund.

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Gedicht: Ich und du von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ich und du“ von Friedrich Hebbel thematisiert die enge Verbindung und zugleich die Zerbrechlichkeit einer Liebesbeziehung. Die beiden ersten Strophen stellen das „Träumen“ als Metapher für die Liebe dar – eine zarte und zugleich vergängliche Verbindung zwischen zwei Menschen. Das Erwachen aus dem Traum deutet darauf hin, dass die Realität oft zu einer Entfremdung oder zu einer Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit führt. Dennoch bleibt das Liebesmotiv zentral: „Wir leben, um uns zu lieben“, doch diese Liebe steht im Spannungsfeld zwischen Vereinigung und Verlust.

Hebbel beschreibt die Beziehung als einen Prozess von Annäherung und Distanz. Die Zeile „Wir sterben, wenn sich eines im andern ganz verlor“ zeigt, dass eine völlige Verschmelzung nicht nur Erfüllung, sondern auch Gefahr bedeuten kann – die Gefahr, das eigene Selbst aufzugeben. Damit wird das Verhältnis von „Ich“ und „Du“ als ambivalentes Wechselspiel von Nähe und Eigenständigkeit dargestellt.

In der dritten Strophe wird diese Spannung in einem eindrucksvollen Naturbild zusammengefasst: Zwei Wassertropfen auf einer Lilie, die miteinander verschmelzen und dann „hinab in des Kelches Grund“ rollen. Dieses Bild verdeutlicht sowohl die Schönheit und Reinheit der Liebe als auch ihr unausweichliches Ende. Die Tropfen stehen für die beiden Liebenden, die in der Vereinigung ihre Form verlieren und gemeinsam in die Tiefe sinken – ein Sinnbild für die Auflösung der Individualität im Moment der vollkommenen Hingabe.

Hebbel verbindet in wenigen Zeilen die Themen Liebe, Identität und Vergänglichkeit auf poetische Weise. Die klare Sprache und die symbolkräftigen Bilder verleihen dem Gedicht eine melancholische Tiefe, die über die romantische Liebeslyrik hinausgeht und existenzielle Fragen nach der Balance von Nähe und Selbstbewahrung stellt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.