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Vom Mäuslein

Von

Die Köchin spricht zum Koch:
„Fang mir das Mäuslein doch!“
Es ist nichts sicher in Küch und Keller,
nicht in der Schüssel, nicht auf dem Teller.
Wo’s was riecht,
da ist es gleich,
wo’s was kriegt,
da frisst es gleich;
wo ein Braten dampft,
kommt das Mäuslein und mampft.
Unter der Bank
in den Küchenschrank
hat es gebissen ein Loch.
Koch, fang mir das Mäuslein doch,
und jag es wieder aus dem Haus,
in das freie Feld hinaus.
Da macht der Koch ein Gesicht,
und spricht:
„Mäuslein, Mäuslein,
bleib in deinem Häuslein!
Nimm dich in acht
heut nacht;
mach kein Geräusch
und stiehl nicht mehr das Fleisch:
Sonst wirst du gefangen
und aufgehangen.“
Der Koch aber deckt zu alle
Schüsseln und stellt die Falle
hinten im Eck
und tut hinein den Speck.
Sperrt die Küche zu, geht und legt sich zur Ruh.
Das Mäuslein aber ist ruhig,
und wispert leis: das tu ich!
Aber es hat nicht lang gedauert,
so kommt schon das Mäuslein und lauert.
Und sagt: wie riecht der Speck so gut,
wer weiß, ob’s doch was tut?
Nur ein wenig möcht ich beißen,
nur ein wenig möcht ich speisen.
Einmal
ist keinmal!
So spricht fein Mäuslein und schleicht,
bis es die Falle erreicht. Duckt sich
und buckt sich,
schmiegt sich
und biegt sich
ins Eck,
und ergötzt sich
am Speck.
Reißt,
beißt
und speist.
Platsch, tut’s einen Knall
und … zu ist die Fall!
Das Mäuslein zittert vor Schrecken
und möcht sich verstecken.
Aber, so es will hinaus,
ist zugesperrt das Haus.
Es pfeift
und zappelt,
es kneift
und krabbelt.
Überall ist ein Gitter,
und das ist bitter.
Überall ist ein Draht,
und das ist schad.
Leider, leider
kann’s Mäuslein nimmer weiter;
wär’s nur gewesen gescheiter!
Unterdessen wird es Morgen,
da kommt die Köchin und will besorgen
den Kaffee
und den Tee.
Da sieht sie denn, was vorgegangen,
und wie das Mäuslein ist gefangen.
Ganz leis sacht
schleicht sie hin und lacht:
haben wir endlich doch erhascht
das Mäuslein, das immer von allem genascht.
Siehst du: Einmal
ist nicht keinmal.
Wärst du geblieben in deinem Loch,
gefangen hätte dich nicht der Koch!

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Gedicht: Vom Mäuslein von Friedrich Güll

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Vom Mäuslein“ von Friedrich Güll erzählt in humorvoller und lebendiger Weise die Geschichte einer kleinen Maus, die ihrer Gier zum Opfer fällt. In verspieltem Ton, mit zahlreichen lautmalerischen Elementen und rhythmischen Wiederholungen, vermittelt das Gedicht eine einfache, aber einprägsame Moral: Unvorsichtigkeit und Maßlosigkeit führen ins Verderben. Die Geschichte beginnt mit der Klage der Köchin über das Mäuslein, das überall in Küche und Keller stiehlt. Der Koch, zunächst scheinbar nachsichtig, warnt das Tier vor den Konsequenzen seines Handelns. Doch statt das Haus zu verlassen, bleibt die Maus in der Nähe – eine erste Andeutung ihrer Unbelehrbarkeit. Die Versuchung durch den Speck wird in einer Reihe lebhafter, sich steigernder Verben geschildert: Das Mäuslein „duckt sich“, „bückt sich“, „schmiegt sich“, bis es schließlich zubeißt – und prompt in die Falle gerät. Der plötzliche Umschwung vom genüsslichen Schmausen zur Gefangenschaft verstärkt die Ironie der Situation. Die Schlussverse liefern die Moral des Gedichts: „Einmal ist nicht keinmal“ – wer sich zu sicher fühlt und die Warnungen missachtet, muss die Konsequenzen tragen. Durch seine einfache Sprache, die eingängige Reimstruktur und den humorvollen Erzählstil eignet sich das Gedicht besonders gut für Kinder, vermittelt aber auch Erwachsenen eine zeitlose Lehre über Vorsicht und Selbstbeherrschung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.