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Der Rheinwein

Von

O du, der Traube Sohn, der im Golde blinkt,
Den Freund, sonst Niemand, lad‘ in die Kühlung ein.
Wir drey sind unser werth, und jener
Deutscheren Zeit, da du, edler Alter,

Noch ungekeltert, aber schon feuriger
Dem Rheine zuhingst, der dich mit auferzog,
Und deiner heissen Berge Füsse
Sorgsam mit grünlicher Woge kühlte.

Jetzt, da dein Rücken bald ein Jahrhundert trägt,
Verdienest du es, dass man den hohen Geist
In dir verstehen lern‘, und Kato’s
Ernstere Tugend von dir entglühe.

Der Schule Lehrer kennet des Thiers um ihn,
Kennt aller Pflanzen Seele. Der Dichter weiss
So viel nicht; aber seiner Rose
Weibliche Seele, des Weines stärkre,

Den jene kränzt, der flötenden Nachtigall
Erfindungsvolle Seele, die seinen Wein
Mit ihm besingt, die kennt er besser,
Als der Erweis, der von Folgen triefet.

Rheinwein, von ihnen hast du die edelste,
Und bist es würdig, dass du des Deutschen Geist
Nachahmst! bist glühend, nicht aufflammend,
Taumellos, stark, und von leichtem Schaum leer.

Du duftest Balsam, wie mit der Abendluft
Der Würze Blume von dem Gestade dampft,
Dass selbst der Krämer die Gerüche
Athmender trinkt, und nur gleitend fortschift.

Freund, lass die Hall‘ uns schliessen; der Lebensduft
Verströmet sonst, und etwa ein kluger Mann
Möcht‘ uns besuchen, breit sich setzen,
Und von der Weisheit wohl gar mit sprechen.

Nun sind wir sicher. Engere Wissenschaft,
Den hellen Einfall, lehr uns des Alten Geist!
Die Sorgen soll er nicht vertreiben!
Hast du geweinte, geliebte Sorgen,

Lass mich mit dir sie sorgen. Ich weine mit,
Wenn dir ein Freund starb. Nenn ihn. So starb er mir!
Das sprach er noch! nun kam das letzte,
Letzte Verstummen! nun lag er todt da!

Von allem Kummer, welcher des Sterblichen
Kurzsichtig Leben nervenlos niederwirft,
Wärst du, des Freundes Tod! der trübste;
Wär sie nicht auch die Geliebte sterblich!

Doch wenn dich, Jüngling, andere Sorg entflamt,
Und dirs zu heiss wird, dass du der Barden Gang
Im Haine noch nicht gingst, dein Name
Noch unerhöht mit der grossen Fluth fleusst;

So red‘! In Weisheit wandelt sich Ehrbegier,
Wählt jene. Thorheit ist es, ein kleines Ziel
Das würdigen, zum Ziel zu machen,
Nach der unsterblichen Schelle laufen!

Noch viel Verdienst ist übrig. Auf, hab es nur;
Die Welt wirds kennen. Aber das edelste
Ist Tugend! Meisterwerke werden
Sicher unsterblich; die Tugend selten!

Allein sie soll auch Lohn der Unsterblichkeit
Entbehren können. Athme nun auf, und trink.
Wir reden viel noch, eh des Aufgangs
Kühlungen wehen, von grosseu Männern.

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Gedicht: Der Rheinwein von Friedrich Gottlieb Klopstock

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Rheinwein“ von Friedrich Gottlieb Klopstock ist eine poetische Huldigung an den deutschen Wein, insbesondere an den Rheinwein, der hier als Symbol für Freundschaft, nationale Identität und dichterische Inspiration fungiert. In einem halbspielerischen, halbernsten Ton verknüpft Klopstock das Lob des Weines mit Reflexionen über Tugend, Freundschaft, Sterblichkeit und dichterische Berufung. Das Gedicht wechselt dabei zwischen Feierlichkeit und heiterer Intimität – ganz im Geiste eines philosophisch angehauchten Trinkgelages.

Zentral ist die Personifizierung des Weines als edles, fast ehrwürdiges Wesen mit Geschichte und Charakter. Der „Traube Sohn“ wird als alt und würdig dargestellt, ein Produkt des Rheins und der deutschen Landschaft, das nicht nur Genuss verspricht, sondern auch geistige Tiefe. Der Wein soll nicht bloß berauschen, sondern erhellen, nicht entflammen, sondern glühen – ganz im Sinne einer kontrollierten, männlich-dichterischen Kraft. Diese Beschreibung dient zugleich als Kontrast zur oberflächlichen Wissenschaft oder zur bloßen Zweckrationalität, die Klopstock kritisch betrachtet.

Das Gedicht grenzt sich bewusst vom nüchternen Weltverstand ab, etwa in der spöttischen Bemerkung über den „klugen Mann“, der Weisheit predigt, während die wahren Einsichten im poetischen Erleben, in der Freundschaft und in der Weinkultur liegen. Die Metaphorik ist dabei reich: Der Wein duftet wie Balsam, wird mit Nachtigallengesang verbunden und steht als Ausdruck der deutschen Seele. Der Dichter, so Klopstock, kennt weniger Fakten als der Gelehrte, aber mehr von der inneren Wahrheit der Dinge.

In der zweiten Hälfte des Gedichts weitet sich der Blick ins Existentielle: Der Wein wird zum Gefährten in der Trauer um verstorbene Freunde und im Nachdenken über das eigene Schicksal. Besonders eindrucksvoll ist die Stelle, in der der Sprecher einen toten Freund betrauert – eine plötzliche Wendung ins Ernste, die zeigt, dass der Rausch auch ein Raum für Mitleid und Erinnerung ist. Ebenso spricht Klopstock über Ehrgeiz und dichterischen Anspruch, kritisiert oberflächliche Ruhmsucht und stellt dem die seltene, aber echte Tugend gegenüber.

„Der Rheinwein“ ist somit mehr als ein Trinklied: Es ist ein vielschichtiges, dialogisches Gedicht über Geist und Gefühl, über poetische Wahrhaftigkeit, Freundschaft und Lebensklugheit. In ihm vermischen sich Leichtigkeit und Tiefsinn – ein Spiegel des Ideals einer deutschen Empfindsamkeit, in der Wein, Wort und Weisheit in harmonischem Einklang stehen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.