Das Wiedersehn
Der Weltraum fernt mich weit von dir,
So fernt mich nicht die Zeit.
Wer überlebt das siebzigste
Schon hat, ist nah bei dir.
Lang sah ich, Meta, schon dein Grab,
Und seine Linde wehn;
Die Linde wehet einst auch mir,
Streut ihr Blum‘ auch mir,
Nicht mir! Das ist mein Schatten nur,
Worauf die Blüte sinkt;
So wie es nur dein Schatten war,
Worauf sie oft schon sank.
Dann kenn‘ ich auch die höhre Welt,
In der du lange warst;
Dann sehn wir froh die Linde wehn,
Die unsre Gräber kühlt.
Dann … Aber ach ich weiß ja nicht,
Was du schon lange weißt;
Nur daß es, hell von Ahndungen,
Mir um die Seele schwebt!
Mit wonnevollen Hoffnungen
Die Abendröte kommt:
Mit frohem, tiefen Vorgefühl,
Die Sonnen auferstehn!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Das Wiedersehn“ von Friedrich Gottlieb Klopstock drückt die Sehnsucht und die Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod aus. Der Dichter beginnt mit der Feststellung, dass der „Weltraum“ ihn „weit von dir“ entfernt, was auf die physische Trennung von der verstorbenen Geliebten, Meta, hinweist. Doch diese Entfernung wird relativiert, denn „die Zeit“ kann ihn nicht von ihr trennen, da er durch die Erinnerung und das Band der Liebe mit ihr verbunden bleibt. Der Gedichtbeginn zeigt die unerschütterliche Hoffnung, dass Liebe und Erinnerung auch über den Tod hinaus bestehen können und das Gefühl der Nähe bewahren.
Im weiteren Verlauf des Gedichts beschreibt der Sprecher die Jahre des Verlusts, während er an Metas Grab verweilt, wo die Linde weht. Die Linde symbolisiert sowohl den Tod als auch das Leben, da sie Blüten für den Sprecher streut, die jedoch nur der „Schatten“ seiner eigenen Existenz betreffen. Diese Darstellung der Blüten als das, was nur „auf den Schatten sinkt“, weist auf die Vergänglichkeit des Lebens hin und darauf, dass auch der Tod des Sprechers irgendwann eintreffen wird. In diesen Bildern steckt die tiefe Trauer über den Verlust und das Gefühl der Einsamkeit, das jedoch von der Hoffnung auf ein zukünftiges Wiedersehen überschattet wird.
Der Gedichtmittelteil verweist auf eine „höhere Welt“, in der Meta bereits verweilt. Diese höhere Existenz beschreibt Klopstock als einen Ort, in dem die Trennung zwischen den Geliebten überwunden ist. Dort werden sie zusammen die Linde sehen, die auch ihre Gräber kühlt. Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, in dem die geliebte Person und der Sprecher wieder vereint sind, vermittelt ein Gefühl der Zuversicht und des Trostes. Doch der Sprecher ist sich gleichzeitig der Ungewissheit seiner eigenen Erkenntnis bewusst und gesteht ein, dass er „nicht weiß, was du schon lange weißt“. Diese Erkenntnis des Unbekannten steht für die spirituelle Suche und das Streben nach Wissen, das noch nicht vollständig erlangt wurde.
In der letzten Strophe findet der Sprecher schließlich Trost in „wonnevollen Hoffnungen“, die mit der „Abendröte“ kommen. Die Vorstellung, dass die „Sonnen auferstehn“, symbolisiert das erneute Leben und die Hoffnung auf Wiedergeburt oder ein Leben nach dem Tod. Die Abendröte als Symbol für das Ende eines Tages wird hier umgekehrt, um die Wiederauferstehung und die Hoffnung auf eine neue Verbindung darzustellen. Klopstock lässt das Gedicht mit einem Gefühl der Hoffnung und Erhebung enden, indem er die Kraft der „Ahndungen“ und das „Vorgefühl“ nutzt, um zu zeigen, dass der Tod nicht das endgültige Ende, sondern eine Übergangsphase zu einer besseren, höheren Existenz ist.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.