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Der Halbmond glänzet am Himmel

Von

Der Halbmond glänzet am Himmel,
Und es ist neblicht und kalt.
Gegrüßt sei du Halber dort oben,
Wie du, bin ich einer, der halb.

Halb gut, halb übel geboren,
Und dürftig in beider Gestalt,
Mein Gutes ohne Würde,
Das Böse ohne Gewalt.

Halb schmeckt ich die Freuden des Lebens,
Nichts ganz als meine Reu;
Die ersten Bissen genossen,
Schien alles mir einerlei.

Halb gab ich mich hin den Musen,
Und sie erhörten mich halb;
Hart auf der Hälfte des Lebens
Entflohn sie und ließen mich alt.

Und also sitz ich verdrossen,
Doch läßt die Zersplitterung nach;
Die leere Hälfte der Seele
Verdrängt die noch volle gemach.

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Gedicht: Der Halbmond glänzet am Himmel von Franz Grillparzer

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Halbmond glänzet am Himmel“ von Franz Grillparzer ist eine melancholische Selbstbetrachtung, in der der Dichter sein Leben als unvollständig und zerrissen empfindet. Der Halbmond, der nur zur Hälfte leuchtet, dient als Symbol für diese innere Zersplitterung. Grillparzer stellt sich selbst als einen Menschen dar, der in allem nur zur Hälfte existiert – weder vollkommen gut noch völlig böse, weder ganz glücklich noch gänzlich verzweifelt.

Besonders eindrucksvoll ist die resignierte Haltung des lyrischen Ichs. Es erkennt, dass es zwar die Freuden des Lebens gekostet hat, doch nichts davon gänzlich genießen konnte. Selbst die Musen, denen es sich einst gewidmet hat, haben es nur teilweise erhört und schließlich verlassen. Diese Enttäuschung zieht sich durch das gesamte Gedicht und spiegelt eine tiefe Lebensmüdigkeit wider.

Die letzte Strophe verstärkt diesen Eindruck der Resignation. Das Gefühl der Zersplitterung nimmt allmählich ab, doch nicht, weil die verlorene Hälfte wiederkehrt, sondern weil die Leere immer mehr Raum einnimmt. Dieser abschließende Gedanke macht das Gedicht zu einer eindringlichen Reflexion über das Altern, das schwindende Lebensfeuer und die wachsende innere Leere, die schließlich alles dominiert.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.