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Das Sonett

Von

Ein Labyrinth mit holdverschlung’nen Gängen
Hat dem Gedanken still sich aufgeschlossen;
Er tritt hinein – und wird sogleich umflossen
Von Glanz und Duft und zauberischen Klängen.

Hier leuchten Blumen, die auf Wiesenhängen
Des Pflückers harren, sehnsuchtsvoll entsprossen,
Dort wollen Zweige, goldschwer übergossen,
Den Wandelnden auf schmalem Pfad bedrängen.

Der aber, wird so mancher Wunsch ihm rege,
Pflückt eine Frucht nur mit zufried’ner Miene-
Doch manche Blüthe, die er trifft am Wege.

Und nun – ob er gefangen auch erschiene
Schon in des Vierreims wechselndem Gehege-:
Geleitet ihn in’s Freie die Terzine.

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Gedicht: Das Sonett von Ferdinand Ludwig Adam von Saar

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das Sonett“ von Ferdinand Ludwig Adam von Saar ist eine kunstvolle Reflexion über die Form und das Erleben eines Sonetts selbst. Saar vergleicht das Sonett mit einem Labyrinth voller verwunschener Gänge, in das sich der Gedanke still hineinbegibt. Diese Bildsprache macht sofort deutlich: Die Struktur des Sonetts ist komplex, aber auch voller Zauber, Licht und Klang.

Im Inneren dieses Labyrinths begegnet der Wanderer – das lyrische Ich oder der Gedanke – verführerischen Reizen: Blumen, die gepflückt werden möchten, und schwer beladene Zweige, die sich dem Pfad zuneigen. Diese Bilder stehen für die Vielfalt an Eindrücken, Ideen und Schönheiten, die im Verlauf eines Sonetts entfaltet werden. Dennoch bleibt der Wanderer maßvoll, pflückt nur eine Frucht – was auf die konzentrierte, disziplinierte Auswahl innerhalb der strengen Form anspielt.

Besonders geschickt verweist Saar auf die besondere Struktur des Sonetts: Das „Vierreims wechselndes Gehege“ beschreibt die vierzehn Zeilen mit ihrer festen Reimordnung, die oft wie ein enges Gitter wirken können. Trotzdem vermittelt das Gedicht, dass diese Form nicht einengt, sondern lenkt und am Ende – durch die Terzinen – wieder ins Freie führt.

Mit feiner Eleganz gelingt es Saar, die Schönheit der klassischen Form und die kreative Freiheit innerhalb ihrer Grenzen zu feiern. Das Sonett wird nicht als starres Korsett, sondern als geordnetes Kunstwerk dargestellt, das den Gedanken zunächst einhegt, ihn aber letztlich auch zu neuer Klarheit und Freiheit geleitet.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.