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Spleen

Von

Ein Bündel Mond erreichte mein Gesicht
Um 3 Uhr nachts, ein Quantum Butterlicht,
Und mahnte (3 Uhr 2): „Ein Spuk-Gedicht,
Nervös-geziert, ist Literatenpflicht!“

Die Kammer dehnte sich verbrecher-hell.
Der Mond, ein Dotterball, schien kriminell.
Da stieg die Dame Angst(-Berlin) reell
Auf ihr imaginäres Karussell.

Ein Schneiderkleid umpresste mit Radau
Die Dame Angst: die Gift- und Gnadenfrau.
Doch das Zitronen-Ei (um 3 Uhr 5 genau)
Versank in Bar-Fauteuils aus Dämmerblau. –

Nachhüstelnd, matt dosiert: „Macabre-Bar!
Ihr lila Blicke! Schweflig Tulpenhaar!
Aus Puderkrusten Tollkirsch-Kommentar!
Ein Gruß: du noctambules Serninar!“
… So. 3 Uhr 10. Wie süß verwirrt ich war!

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Gedicht: Spleen von Ferdinand Hardekopf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Spleen“ von Ferdinand Hardekopf greift typische Motive des frühen Expressionismus und des Symbolismus auf und erzeugt eine nächtlich-düstere, traumähnliche Szenerie. Bereits der Titel verweist auf eine melancholisch-überspannte Grundstimmung, wie sie etwa aus der Dichtung Charles Baudelaires bekannt ist. Die nächtliche Szene wird durch die ungewöhnliche Beschreibung des Mondlichts („ein Quantum Butterlicht“) in eine surreale und leicht groteske Atmosphäre getaucht. Die Anrede des lyrischen Ichs durch das Mondlicht selbst verstärkt diesen Eindruck und zeigt einen selbstironischen Umgang mit der Idee der „Dichterpflicht“, nächtliche Spuk-Gedichte zu verfassen.

Im weiteren Verlauf steigert sich die Szenerie in eine Mischung aus Angst und Skurrilität. Die „Dame Angst“, die hier fast wie eine Personifikation der Großstadtneurosen (Hinweis „-Berlin“) wirkt, erscheint auf einem „imaginären Karussell“ – ein Bild für die rastlose, wirbelnde Bewegung der Großstadt und des inneren Unbehagens. Die Verwendung ungewöhnlicher Farbbilder („Zitronen-Ei“, „Dämmerblau“) und das Spiel mit Kontrasten – etwa zwischen „Gift“ und „Gnade“ – unterstreichen die nervöse, halluzinatorische Wahrnehmung des lyrischen Ichs in der tiefen Nacht.

Der letzte Abschnitt wechselt zu einer reflexiveren Ebene: In einer Art poetischem Monolog kommentiert das lyrische Ich die Szenerie mit Ausrufen an eine „Macabre-Bar“ und ein „noctambules Seminar“, was auf eine nächtliche Gesellschaft der Schlaflosen oder Künstler anspielt. Die Anhäufung von Eindrücken – „lila Blicke“, „Tulpenhaar“, „Tollkirsch-Kommentar“ – trägt zur Überreizung und zum spleenartigen Zustand bei, der schließlich in der Schlusszeile als „süß verwirrt“ beschrieben wird. Hardekopfs Gedicht spielt somit mit der Großstadtnacht als Schauplatz innerer Verunsicherung, kreativer Exzesse und ironischer Selbstbetrachtung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.