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Spät

Von

Der Mittag ist so karg erhellt.
Ein dunkler See sinkt in sein Grab.
Dies ist das letzte Licht der Welt,
Das bleichste Glimmen, das es gab.

Aus Sümpfen schwankt Gestrüpp und Baum.
Die Birken-Nerven ästeln weh.
Die Zeit erblasst, es krankt der Raum.
Es gilbt das Schilf im toten See.

Die Luft strömt grau ins Mündungs-All.
Der Rabe schreit. Der Wald schläft ein.
Mich trennt ein rascher Tränenfall
Vom Ende und der Flammenpein.

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Gedicht: Spät von Ferdinand Hardekopf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Spät“ von Ferdinand Hardekopf zeichnet eine düstere, melancholische Naturstimmung, die stark von Endzeitmotiven und Verfall geprägt ist. Die karge Helligkeit des Mittags wirkt nicht wie der Höhepunkt des Tages, sondern bereits wie ein Verlöschen – „Das bleichste Glimmen, das es gab“. Diese atypische Lichtbeschreibung deutet auf eine Welt im Niedergang hin, in der selbst das Tageslicht nur noch schwach und kraftlos erscheint.

Die Naturbilder in der zweiten Strophe verstärken diese trostlose Atmosphäre: Sümpfe, schmerzhaft wirkende Birken („Nerven ästeln weh“) und das „gilbende Schilf“ suggerieren einen kranken, sterbenden Naturraum. Auch der Raum selbst scheint „zu kranken“, wodurch eine metaphysische Dimension hinzukommt – nicht nur die Landschaft, sondern auch Zeit und Raum verfallen. Der „tote See“ wird zum Sinnbild für einen Zustand der Erstarrung und des Auslöschens.

In der letzten Strophe verdichtet sich die Düsternis weiter: Das „graue“ Strömen der Luft, der einsame „Rabe“ als Todesbote und der Wald, der „einschläft“, führen die apokalyptische Stimmung fort. Der „rasche Tränenfall“ des lyrischen Ichs markiert einen emotionalen Bruch, der es vom „Ende“ und von einer „Flammenpein“ trennt – möglicherweise ein Bild für das Entkommen vor dem endgültigen Untergang oder vor einer existenziellen Qual.

Hardekopf erschafft mit „Spät“ ein Gedicht, das zwischen Verfall, Endzeit und persönlicher Trauer oszilliert. Die düstere Naturkulisse spiegelt einen inneren Zustand der Müdigkeit und der Abkehr vom Leben wider, während das lyrische Ich in einer Zwischenwelt aus Abschied, Resignation und Trennung gefangen bleibt. Die Sprache bleibt dabei ruhig und bildstark und erzeugt eine beklemmende Atmosphäre der Vergänglichkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.