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Ein Hand-Buch?

Von

Ob sich eine Laune fände,
Die mir eure Chronik schriebe,
Sinngetreu, ihr meine Hände:
Nacht- und Tagebuch der Liebe?

Fändest du vielleicht es reizend,
Rechte Hand, mir zu Gefallen,
Stil-ertastend, finger-spreizend,
Einst-Umkralltes zu umkrallen?

Alle liebliche Erfahrung
In ein dichtes Wort zu pressen
Und der wildesten Gebahrung
Knappste Kleidung anzumessen?

… Nein! die Hand-Schrift sei verhindert,
Übersinnlich nichts erbeutet!
Qual verharre ungelindert!
Kein Geheimnis sei gedeutet!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Ein Hand-Buch? von Ferdinand Hardekopf

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Ein Hand-Buch?“ von Ferdinand Hardekopf spielt mit der Doppelbedeutung des Begriffs „Handbuch“ und reflektiert auf ironische Weise über das Verhältnis zwischen Körperlichkeit und sprachlicher Darstellung. Im Zentrum steht die Idee, dass die Hände des lyrischen Ichs ein „Nacht- und Tagebuch der Liebe“ schreiben könnten – also ein Protokoll von sinnlichen Erfahrungen und Liebesabenteuern. Doch diese Idee bleibt eine Laune, ein Gedankenspiel, das die Grenzen zwischen Handlung und Sprache auslotet.

Die rechte Hand wird im zweiten Quartett direkt angesprochen und zum „Stil-ertastenden“ Werkzeug gemacht. Die Hand, die einst umkrallte, könnte erneut das sinnlich Erlebte greifen und niederschreiben. Hier entsteht ein spannungsreicher Kontrast zwischen der körperlichen, tastenden Funktion der Hand und der intellektuellen, schreibenden Tätigkeit. Das Bild der „finger-spreizenden“ und „umkrallenden“ Hand verdeutlicht sowohl den sinnlichen Zugriff auf das Erlebte als auch die Herausforderung, dieses Erleben in Worte zu fassen.

Im dritten Quartett wird diese Ambivalenz zugespitzt: Die „lieblichen“ und „wildesten“ Erfahrungen sollen in Sprache „gepresst“ und mit „knappster Kleidung“ versehen werden, was auf die Schwierigkeit verweist, das Unmittelbare, Körperliche und Emotionale in die Form der Sprache zu zwängen. Das Gedicht reflektiert somit über die Begrenztheit des Ausdrucks und die Unmöglichkeit, die volle Intensität des Erlebten literarisch einzufangen.

Im abschließenden Quartett folgt die endgültige Absage an das Projekt: Die „Hand-Schrift“ wird verhindert, das Übersinnliche bleibt unerfasst, die „Qual“ der unausgesprochenen oder unaussprechbaren Erfahrungen bleibt bestehen. Hardekopf lässt das Gedicht mit einer Mischung aus Resignation und Ironie enden und unterstreicht die Kluft zwischen sinnlichem Erleben und sprachlicher Vermittlung. Die verspielte Form und der humorvolle Umgang mit der Metaphorik der „Hand“ verleihen dem Text eine zugleich leichte und tiefgründige Note.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.