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Freie Presse

Von

Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
„Morgen, wißt ihr, soll es losgehn, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: – morgen in die Reihn getreten!
Heute Munition gegossen aus metallnen Alphabeten!

Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen fach‘ ich an!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!“

Spricht’s, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Von der Hitze bald geschmolzen brodeln Perl‘ und Diamant;
Brodeln Kolonel und Korpus; hier die Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Zensur.

Dampfend in die Kugelformen zischt die glühnde Masse dann: –
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Atmen rüstig in die Kohlen; schüren, schmelzen unverdrossen,
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie ungegossen!

Wohlverpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrat an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgensitzung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn
Sah man keine noch entschwirren dieser alren Offizin!

Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
„Daß es also mußte kommen, mir und vielen macht es Schmerz!
Doch – welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? –
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrein!

Wohl soll der Gedanke siegen – nicht des Stoffes rohe Kraft!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!

Auch aus ihm bis an die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotz’ge Schriften!
Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und pfeift es hoch in Lüften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerhöchsten Toren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!

Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Gießen euch aus stumpfen Kugeln wieder um in scharfe Lettern –
Horch! ein Pochen an der Haustür! und Trompeten hör‘ ich schmettern!

Jetzt ein Schuß! – Und wieder einer! – Die Signale sind’s Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! – Da sind wir schon!“
Und die erste Salve prasselt! – Das ist Revolution!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Freie Presse von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Freie Presse“ von Ferdinand Freiligrath thematisiert den revolutionären Kampf für Pressefreiheit und politische Veränderung. In einer dramatischen Szene wird eine Druckerei zum Schauplatz des Widerstands: Anstelle von Zeitungen oder Flugblättern stellen die Setzer und Drucker aus ihren Lettern Kugeln her, um sich gegen die Unterdrückung zur Wehr zu setzen. Die Verbindung zwischen Sprache und Waffe wird hier auf eindrucksvolle Weise inszeniert – das geschriebene Wort wird buchstäblich zur Munition.

Die ersten Strophen schildern mit kraftvollen Bildern die Umwandlung der Lettern in Patronen. Die Sprache ist dynamisch und voller Bewegung, wodurch die fieberhafte Arbeit der Männer greifbar wird. Die Begriffe aus dem Druckwesen – Lettern, Tiegel, Antiqua, Fraktur – werden bewusst eingesetzt, um die enge Verbindung zwischen Gedankenfreiheit und revolutionärem Handeln zu verdeutlichen. Die Arbeiter sehen sich als Kämpfer für die Wahrheit, die ihre Botschaft notfalls mit Gewalt durchsetzen müssen.

In der zweiten Hälfte des Gedichts steigert sich die Spannung bis zum Ausbruch der Revolution. Der Druckmeister hadert zwar mit der Notwendigkeit der Gewalt, sieht aber keinen anderen Ausweg mehr, da die Gedanken durch Zensur und Repression erstickt wurden. Die Lettern, die eigentlich die Wahrheit verbreiten sollten, müssen nun als Kugeln ihre Wirkung entfalten. Das Finale ist von unmittelbarer Dramatik geprägt: Der Aufstand beginnt, die ersten Schüsse fallen, die Revolution ist in vollem Gange. Freiligrath nutzt hier eine mitreißende Sprache, um den Kampf für Freiheit als unvermeidlich und gerecht darzustellen. Das Gedicht ist somit ein leidenschaftlicher Aufruf zum Widerstand gegen politische Unterdrückung.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.