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Aus Spanien

Von

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor.

Der Platz ist leer, das Volk hat sich verlaufen,
Der Dampf verflog, die Schüsse sind verhallt;
Nur hier und dort steht einsam noch ein Haufen,
Im Auge Zorn, die Hände starr geballt;
Husaren ziehn; – ein Tag der Schmach war euer!
Ihr goßt das Blei, das seine1 Brust zerriß!
Ihr schoßt es ab! Euch galt sein Wort: „Gebt Feuer!
. . . .
Exoriare aliquis!

„Gebt Feuer!“ – ja, das hat er oft gesprochen,
Wenn er zu Roß durch eure Reihen flog;
Wenn zu der Hufe ungeduld’gem Pochen
Er nun sein Schwert, das makellose, zog!
Für Spaniens Heil, für eurer Waffen Ehre,
Wie hat er stets zu führen euch gewußt!
Heut lenkt‘ er wieder Feuerröhre,
– O Gott, auf seine eigne Brust!

Und wer verdammt ihn? – Er, der jetzt das Ruder
Des morschen Staats in ehrnen Händen hält!
Der Waffenbruder seinen Waffenbruder!
Nicht wahr – sie schliefen in demselben Zelt?
Ihr saht sie rasten oft in einer Scheuer?
Aus einem Becher tranken sie? – Gewiß!
Ihr saht es oft! – O Gott, und heute? – „Feuer!
. . . .
Exoriare aliquis!

So war sein Wunsch: „Laßt mich zu Pferde sitzen!
Ja, laßt mich steigen auf mein liebstes Pferd!
Noch einmal gern säh‘ ich mein Schwert erblitzen,
So wie es Reitern aus der Scheide fährt!
Den ich im Kampf erblickt auf tausend Seiten,
Dem ich seit Jahren dreist die Stirne bot,
Auch jetzt dem Tod möcht‘ ich entgegenreiten –
Gern stürb‘ ich einen Reiterstod!“

Er starb ihn nicht – er ward hinausgefahren!
Gesenkten Halses blieb daheim sein Roß;
Dicht lag der Staub auf seinen Mähnenhaaren,
Indes man draußen seinen Herrn erschoß!
Einförm’gen Hufschlags trat es sein Gemäuer –
Ha, lieber wahrlich knirscht‘ es ins Gebiß
Und stampfte wiehernd in den Zuruf: – „Feuer!
. . . .
Exoriare aliquis!

Schlank, hoch und herrlich trat er aus dem Wagen;
Dann küßt‘ er brünstig ein Marienblid.
„In allen Schlachten hab‘ ich dich getragen:
Was du vermochtest, hast du treu erfüllt!
Die dich mir gab, mein Weib hat dich gesegnet;
Geh zu ihr heim – getan ist deine Pflicht!
Du lenkst die Kugeln, so die Walstatt regnet,
Der Richtstatt Kugeln lenkst du nicht!“ –

Dann, daß kein Blei an ihm vorüberpfeife,
Gab er den Schützen selber ihren Stand,
Und wies sich auf sein blitzend Kriegsgewand;
Gab Ring und Kreuz dem Freunde drauf: – „Du Treuer!
Dies dem Regenten – meinem Weibe dies!
Zerbrich mein Schwert! Was zaudert ihr? Gebt Feuer!
. . . .
Exoriare aliquis!

Die Salve fiel: – was wollt ihr weiter wissen?
Die Salve fiel: – sein Auge zuckte nicht!
„Legt an, gebt Feur!“ – Zerschmettert und zerrissen
Sank in den Staub sein edel Angesicht! –
So war sein Tod! Ich heiß‘ ihn einen schönen!
Es war ein mut’ger, ritterlicher Fall,
Und er verdient es, daß ihm Verse dröhnen,
Dumpf, wie gedämpfter Trommeln Schall.

Die ihr gehört – frei hab‘ ich sie verkündigt!
Ob jedem recht: – schiert ein Poet sich drum?
Seit Priams Tagen, weiß er, wird gesündigt
In Ilium und außer Ilium!
Er beugt sein Knie dem Helden Bonaparte
Und hört mit Zürnen d’Enghiens Todesschrei:
Der Dichter steht auf einer höhern Warte,
Als auf den Zinnen der Partei.

Drum auch: Soll ja, was jener ernst gesprochen,
Jetzt oder später in Erfüllung gehn,
Soll aus der Opfer blutbespritzten Knochen
Ein Held, ein Rächer flammend auferstehn: –
Nicht sei’s für sie! Was einzelnen Altäre!
Dir nur, o Spaniens kriegszerrißne Mark,
Dir nur, du Land altritterlicher Ehre,
Zwei Arme wünsch‘ ich, fest und stark.

Unselig Land, dich wollt‘ ich, daß sie rächten!
Du liegst und stöhnst – kein Helfer tritt heran.
Du gleichst dem Stier in deinen Stiergefechten,
Der blutend zuckt und doch nicht sterben kann.
Die Völker sehn’s, sie stehn geschart im Kreise!
Daß er dich rette, tritt kein einz’ger vor?
Ein Matador! – Wen lüstet nach dem Preise? –
„Ein Reich für einen Matador!“

Nicht, daß er vollends dich zum Tod verwunde –
Nein, daß er heile deine Wunden dir!
Noch ist es Zeit! – Noch hast du Kraft! – Gesunde!
Wirf deine Quäler, Andalusias Stier!
Noch wehn in Büscheln deines Hauptes Haare,
Dein Auge glüht, scharf noch ist dein Gebiß!
Ein Matador! – Wer wagt’s? —
Exoriare!
Exoriare aliquis!

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Gedicht: Aus Spanien von Ferdinand Freiligrath

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Aus Spanien“ von Ferdinand Freiligrath thematisiert die Hinrichtung eines heldenhaften Generals, der von seinen eigenen Waffenbrüdern verraten wurde. Es greift die Motive von Ehre, Loyalität und Verrat auf und bettet sie in einen größeren politischen Kontext ein: den Kampf um Spaniens Freiheit. Der lateinische Ausruf „Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor“ („Möge aus unseren Gebeinen ein Rächer erstehen“) stammt aus Vergils „Aeneis“ und unterstreicht den Wunsch nach Vergeltung und Gerechtigkeit.

Freiligrath schildert die letzten Momente des Generals mit großer Dramatik: Er geht mit erhobenem Haupt in den Tod, küsst ein Marienbild und ordnet seine persönlichen Angelegenheiten, bevor er sich dem Erschießungskommando stellt. Sein Tod wird als ritterlich und mutig dargestellt, in krassem Gegensatz zur Feigheit derer, die ihn verraten haben. Besonders eindrucksvoll ist die Szene, in der er selbst die Schützen ausrichtet und ihnen das Kommando zum Feuern gibt – ein Zeichen seiner unbeugsamen Haltung bis zum letzten Moment.

Der zweite Teil des Gedichts richtet sich an das spanische Volk: Der Dichter fordert es auf, aus der Lethargie zu erwachen und sich gegen die Unterdrückung zu erheben. Spanien wird mit einem verletzten, aber ungebrochenen Stier verglichen, der sich gegen seine Peiniger wehren muss. Die Forderung nach einem „Matador“ als Retter des Landes symbolisiert den Ruf nach einem starken Führer, der die Freiheit Spaniens wiederherstellt. Freiligrath positioniert sich dabei über den politischen Parteien und sieht sich als neutraler Beobachter, der das heroische Opfer des Generals anerkennt, aber zugleich den Blick auf das größere Ziel richtet: die nationale Erneuerung Spaniens.

Das Gedicht vereint also Trauer, Bewunderung und einen kämpferischen Aufruf zur Tat. Es erinnert an die blutigen Opfer der Vergangenheit und ruft dazu auf, die Revolution nicht vergeblich gewesen sein zu lassen. Die letzten Verse verstärken diese Botschaft mit einem eindringlichen Appell an das spanische Volk, sich nicht länger unterdrücken zu lassen, sondern für seine Freiheit zu kämpfen.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.