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Sturmflut

Von

Gleichwie des Meeres Wogen dann und wann,
Den Damm zerreißend, mächtig überfluten,
Erscheinen jedem Menschen auch Minuten
Wo er sein Elend nicht verschweigen kann.

Sich selber überstürzend, naht es dann,
Aufwachen Qualen, die nur scheintot ruhten,
Vernarbte Wunden fangen an zu bluten,
Und es zerbricht des Schweigens starrer Bann.

Und wie das Meer, gepeitscht, der Stürme Spiel,
Aufrast und tobt und um Erlösung schreit,
So gellt der Mensch sein namenloses Leid
Hinaus zur Welt, wenn nur der Bann erst fiel.

Und rast und tobt und eher schweigt er nicht,
Als bis er todesmatt zusammenbricht.

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Gedicht: Sturmflut von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sturmflut“ von Felix Dörmann beschreibt die unaufhaltsame Kraft innerer Qualen, die sich wie eine Naturgewalt plötzlich über das Individuum ergießen. Die zentrale Metapher der „Sturmflut“ verweist auf das Bild eines vom Sturm aufgewühlten Meeres, das Dämme überwindet und unkontrollierbar alles überflutet. Diese Naturgewalt dient als Sinnbild für den psychischen Ausnahmezustand, in dem unterdrücktes Leid und alte Wunden sich eruptiv Bahn brechen.

Das lyrische Ich stellt fest, dass auch der Mensch solche „Minuten“ erlebt, in denen das lange Verschlossene nicht mehr zurückgehalten werden kann. Innere Schmerzen, die „scheintot ruhten“, brechen plötzlich hervor und reißen den „starren Bann“ des Schweigens. Das Gedicht thematisiert so die Macht verdrängter Gefühle, die irgendwann unweigerlich an die Oberfläche drängen und nicht mehr zu kontrollieren sind.

In der zweiten Hälfte wird der Mensch direkt mit dem stürmischen Meer verglichen. Wie das Meer von den Stürmen gepeitscht „aufrast und tobt“, so schreit auch der Mensch sein „namenloses Leid“ hinaus, sobald die seelischen Barrieren gefallen sind. Diese Darstellung unterstreicht das Bild von einem Moment existenzieller Überforderung und völligen Kontrollverlusts, in dem das Leiden sich ungefiltert und chaotisch entlädt.

Der letzte Vers gipfelt in der Vorstellung des völligen Erschöpfens und Zusammenbrechens. Erst wenn das Leid den Menschen „todesmatt“ gemacht hat, kann Ruhe einkehren. Damit zeichnet Dörmann ein düsteres Bild der menschlichen Seele als Ort ungebändigter, zerstörerischer Kräfte, die nur in einem Moment totaler Erschöpfung wieder zum Stillstand kommen. Das Gedicht bleibt in seiner Bildsprache kompromisslos und intensiv und thematisiert die zerstörerische Wucht unterdrückten Schmerzes.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.