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Satanella
1.
Wenn die Gluten des Weines
Dein Antlitz röten,
Bleiche Madonna,
Dann flieh‘ meinen Augen.
Ich bete Dich an
Und liebe Dich grenzenlos, –
Aber nur mit todesblassen Wangen;
Doch zeigst Du Dich mir
Durchflutet vom Feuer
Des spanischen Weines,
Sanft erglühend,
So faßt mich die Lust,
Die schreiende Lust,
Dich zu küssen, zu küssen, zu küssen,
Und im Kuß zu erdrosseln; –
Denn Du mußt bleich sein,
Totenbleich.
2.
Ruhbedürftig, liebesübersättigt,
Sinkt nach tobenden Genüssen
Dein gespensterblasser,
Herrlicher Leib
Keuchend zurück.
Weit geöffnet, in schweren Atemzügen
Zittern die Nüstern,
Und im leisen Nachkrampf
Zerren sich die hochgeschürzten Lippen…
Langsam steigt von Deinem tiefgelegnen
Onyxdunklen Auge
Deines Lides leichtumblauter,
Schwerer Schleier.
Liebesicher und hochmut-funkelnd
Glutet Dein Blick in meinem…
Plötzlich, den hilflos-zornigen,
Liebezermarterten Leib
Machtvoll niederzwingend,
Wühlt sich der Wille zur Wollust
Nochmals stürmisch auf aus Deiner Seele,
Und herüber zu mir
Zischt Dein gewaltiges
Grauenhaft süßes:
„Her zu mir!“
3.
Blaugrünes Ampellicht
Flutet in vollen Strömen,
Wie zitternder Weihrauchdampf,
Wie phosphorschimmernde Mondesgloriole
Um Dein weit zurückgebogenes,
Geisterhaft herrliches Haupt;
Schreckhaft leuchten
Aus dem mattgetönten Antlitz
Deiner Augen
Bräunlich violette Ringe.
Düster glosend wie Granaten
Wühlen und drängen und bohren sich
Deine gewaltigen, bannenden
Flammensterne
Tief hinein ins Herz meines Herzens…
Nein, ich kann nicht,
Kann nicht widerstehen
Diesem wortlos-heißen Wollen,
Dieser liebesirren Bitte –
Nimm mich hin!
4.
Ineinander schlingen sich die Glieder…
Aus Deinem hoch aufwogenden,
Wonnegepreßten Busen quillt
Ein seliges Seufzen und Stöhnen…
Wieder wirft und biegt sich mein Leib
In markaussaugenden Krämpfen der Lust…
Durch jede Nervenfaser bebt ein Sturm…
. . .
Von Deinen blutig gebissenen Lippen bricht
Unheimliches Freudengeheul –
Weiter wütet die Liebesfeier.
. . .
5.
Zerfetzte Kamelien
Im heliotrop-durchtränkten,
Blauschwarzen Haar;
Die strotzende Brust,
Dicht an die meine gebettet,
Mich umschlingend
Mit den kußgeröteten Armen,
Mit dem ganzen schlangengeschmeidigen Leib –
Also teilst Du mein Lager.
Agonie der Wollust,
Süß betäubende,
Hat Dir langsam
Deine fiebernden Sinne
Eingeschläfert,
Hat die hochgespannten,
Pressenden Muskeln
Leise gelöst.
Ruhig steigt Dein Atem
Auf und nieder
Und ein Lächeln,
Eines glücklichen Kindes
Seliges Lächeln,
Streift verklärend,
Dämon verscheuchend
Über Dein Antlitz.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Satanella“ von Felix Dörmann ist ein intensives, sinnliches und zugleich düsteres Werk, das die ambivalente Natur der Liebe und Begierde in einer fast dämonischen Form darstellt. Der Sprecher beschreibt in fünf Abschnitten eine leidenschaftliche und extrem aufgeladene Beziehung, die von körperlicher Nähe, Lust und einem unerbittlichen Verlangen geprägt ist. Durch die mehrfachen Wiederholungen und die starke Symbolik wird das Gedicht zu einer Art ekstatischem Rausch, der sich zwischen Anbetung und Zerstörung bewegt.
Im ersten Abschnitt wird die Anbetung und der Wunsch des Sprechers nach einer „bleichen Madonna“ geschildert, die durch den Einfluss des „spanischen Weines“ in einen Zustand der Verführung und Lust übergeht. Das Bild der „totenblassen“ Madonna, die sich zu einer verführerischen und körperlichen Frau verwandelt, wird durch die Verbindung von Kuss und Gewalt verstärkt. Der Sprecher beschreibt, wie die Lust ihn überwältigt, den Wunsch, zu küssen und gleichzeitig zu zerstören – ein metaphorisches Bild für die zerstörerische Kraft des Verlangens. Es geht nicht nur um den körperlichen Akt, sondern auch um die Zerrissenheit zwischen Reinheit und Verderbtheit.
Im zweiten Abschnitt wird diese Zerrissenheit weiter vertieft, indem die körperliche Erschöpfung nach dem Liebesakt thematisiert wird. Der „gespensterblasse Leib“ und das Zittern der „Nüstern“ sowie die „hochgeschürzten Lippen“ verleihen dem Gedicht eine düstere, fast geisterhafte Atmosphäre. Der „Willen zur Wollust“, der sich wieder aufbaut, deutet auf die unerbittliche, nie endende Begierde hin, die den Sprecher in einen Zustand der völligen Hingabe versetzt. Der wiederkehrende Ruf „Her zu mir!“ wird zu einem Symbol der unaufhörlichen, alles verzehrenden Lust, die keine Grenzen kennt.
Im dritten Abschnitt wird die Atmosphäre weiter verdichtet, indem das „blaugrüne Ampellicht“ und die „phosphorschimmernde Mondesgloriole“ eine fast übernatürliche Dimension hinzufügen. Die Augen der Geliebten erscheinen wie „Flammensterne“, die das Herz des Sprechers durchdringen. Der ekstatische Zustand, in dem der Sprecher sich befindet, ist von einer fast dämonischen, unerklärlichen Anziehung geprägt. Es wird deutlich, dass der Sprecher von dieser dunklen, übermächtigen Macht nicht entkommen kann, was sich in dem hilflosen „Nimm mich hin!“ manifestiert. Der Akt der Hingabe ist unvermeidlich und erscheint als ein Akt der völligen Unterwerfung.
Der vierte Abschnitt beschreibt die körperliche Vereinigung, die sowohl ekstatisch als auch schmerzhaft ist. Die „agoniere“ Lust und die „blutig gebissenen Lippen“ schaffen ein Bild von Leidenschaft, das die Grenze zwischen Schmerz und Freude verwischt. Das „unheimliche Freudengeheul“ und die fortwährende „Liebesfeier“ deuten darauf hin, dass der Akt sowohl ekstatisch als auch quälend ist, was zu einer Art ritualisierter Zerstörung führt. Es ist ein Fest der Leidenschaft, das sich in den extremen körperlichen Reaktionen des Sprechers zeigt.
Im fünften und letzten Abschnitt wird die Szene der Erschöpfung nach dem Liebesakt dargestellt. Die „zerfetzten Kamelien“ und das „heliotrop-durchtränkte, blau-schwarze Haar“ verleihen dem Bild eine fast surrealistische Ästhetik. Der Körper der Geliebten, nun in einem Zustand der Ruhe und Erschöpfung, wirkt zugleich erlöst und betäubt. Die „Agonie der Wollust“ weicht einer „ruhigen Atmung“, und das „lächelnde Gesicht eines glücklichen Kindes“ fügt dem Gedicht eine letzte, fast zarte Note der Verklärung hinzu. Doch auch hier bleibt die dunkle, überwältigende Präsenz der Leidenschaft spürbar, die den gesamten Verlauf des Gedichts durchzieht.
Insgesamt zeichnet das Gedicht ein Bild von Liebe und Begierde, das von Intensität, Leidenschaft und Gewalt geprägt ist. Die Wiederholung von Kuss und Zerstörung, von Licht und Dunkelheit, schafft eine unaufhörliche Spannung, die sowohl das Verlangen als auch die schreckliche Macht der Lust aufzeigt.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.