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Obwohl ich jung

Von

Dem Kelch der Leiden hab‘ ich viel enttrunken,
Obwohl ich jung,
Der Traum von Erdenglück ist mir versunken,
Obwohl ich jung.

Ich sah genug von Menschenlos, dem herben,
Obwohl ich jung,
Und ich bin müde, müde bis zum Sterben,
Obwohl ich jung.

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Gedicht: Obwohl ich jung von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Obwohl ich jung“ von Felix Dörmann ist ein eindrucksvolles Beispiel für existenzielle Müdigkeit und Ernüchterung, die früh im Leben eintreten. In nur vier Strophen verdichtet sich ein Gefühl tiefer Erschöpfung, das im Widerspruch zur Jugend steht – jener Lebensphase, die gewöhnlich mit Hoffnung, Aufbruch und Vitalität verbunden wird. Dieser Kontrast bildet das zentrale Spannungsfeld des Gedichts.

Jede Strophe endet mit der Wiederholung „obwohl ich jung“, was wie ein resignierter Refrain wirkt. Diese Wiederholung verstärkt den Widerspruch zwischen dem äußeren Lebensalter und dem inneren Zustand. Die Jugend verliert hier ihre Unschuld und Leichtigkeit; sie wird überschattet von Erfahrungen, die eigentlich erst das spätere Leben prägen sollten – Schmerz, Enttäuschung und das Wissen um die Härte des Daseins.

Der „Kelch der Leiden“, aus dem das lyrische Ich „viel enttrunken“ hat, evoziert ein biblisches Bild von Leidensbereitschaft und Passivität gegenüber dem Schicksal. Dass der „Traum von Erdenglück“ bereits „versunken“ ist, zeigt, wie früh sich Hoffnungslosigkeit und Pessimismus im Denken des Ichs festgesetzt haben. Auch die Beobachtung des menschlichen Lebens – „Menschenlos, dem herben“ – führt nicht zu Mitgefühl, sondern verstärkt die eigene Erschöpfung.

Die letzte Zeile – „Und ich bin müde, müde bis zum Sterben“ – kulminiert in einer existenziellen Erschöpfung, die nicht mehr nur metaphorisch gemeint ist. Sie weist auf eine Todessehnsucht hin, die nicht aus dramatischem Pathos, sondern aus einer tiefen inneren Ermattung heraus entsteht. Die Jugend erscheint hier nicht als Anfang, sondern als Endpunkt einer übermäßig beschwerten Existenz.

„Obwohl ich jung“ ist damit ein stilles, aber kraftvolles Gedicht über den Verlust von Lebenslust und Zuversicht. Felix Dörmann zeichnet ein Bild früher Desillusionierung, das berührt durch seine Klarheit, Wiederholung und emotionale Schlichtheit. Es steht exemplarisch für eine moderne Empfindsamkeit, in der Alter nicht mehr über innere Verfassung entscheidet – und Jugend längst keine Garantie für Hoffnung mehr ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.