Liebesschauer
Liebesschauer mir im Herzen wühlen,
Deiner Schönheit blutigem Altar,
Sturmgewaltig wettert durch mein Fühlen,
Atemloser Wonnen wilde Schar.
Aus des Herzens abgrundtiefen Schachten,
Wo Gedankenfluten hoch gerollt,
Die den Weltenbau ins Wanken brachten,
Wenn empor zum Lichte sie getollt,
Quellen Lieder, Deiner Schönheit trunken,
Sausen Flammen irrer Liebesglut,
Meine großen Ziele sind versunken,
Bleich und todesstarr mein Wille ruht; –
Wehr und Waffen hat der Rost zerfressen,
Daß ich einstmals stritt, – ich weiß es kaum;
Meine Sendung hab‘ ich längst vergessen –
Nur für Dich hat meine Seele Raum!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Liebesschauer“ von Felix Dörmann drückt die überwältigende Macht der Liebe aus und beschreibt, wie diese das gesamte Leben und Denken des lyrischen Ichs beeinflusst. Zu Beginn wird die Liebesempfindung mit dem Bild eines „Liebesschauers“ beschrieben, der „im Herzen wühlen“, also tiefe Emotionen und Turbulenzen hervorrufen. Diese Schauer scheinen in einem dramatischen, beinahe zerstörerischen Akt durch das Herz des lyrischen Ichs zu toben, was durch die metaphorische Verwendung von „blutigem Altar“ und „Sturmgewalt“ verstärkt wird. Die Liebe wird hier als eine unkontrollierbare, gewaltsame Kraft dargestellt, die das gesamte Leben des Ichs erfasst.
In der weiteren Ausführung wird die Liebe als eine Quelle von ekstatischen, aber auch chaotischen Gefühlen beschrieben. Die „Atemloser Wonnen wilde Schar“ symbolisiert ein Gefühl der Überwältigung und des Verlusts der Kontrolle, während „Gedankenfluten“ und das „Wanken“ des Weltenbaus die Existenz der Liebe als eine alles verändernde, kosmische Erfahrung unterstreichen. Die Liebe erweckt tiefe, existenzielle Umwälzungen und stürzt das Ich in einen Zustand, der sowohl erhebend als auch zerstörerisch wirkt. Die „Lieder“ und „Flammen“ der Liebe sind Ausdruck dieser intensiven, fast ekstatischen Trunkenheit.
Das Gedicht wandelt sich mit dem Bild des „verfallenen Willens“, in dem die einstigen „großen Ziele“ des lyrischen Ichs im Angesicht der Liebe verblassen. Das Ich scheint sich vollständig der Liebe zu unterwerfen und verliert die Kontrolle über seine früheren Ambitionen und Ideale. Der Verlust des „Wille[s]“ und das Bild von „verrosteten Waffen“ vermitteln die Idee, dass die einstige Widerstandskraft und die Kämpfe des Ichs gegen diese überwältigende Macht der Liebe nicht mehr von Bedeutung sind. Stattdessen bleibt „nur für Dich“ Raum in der Seele des Ichs, was eine völlige Hingabe an das Objekt der Liebe zeigt.
Die Sprache des Gedichts ist intensiv und leidenschaftlich, wobei die Bilder von Sturm, Flammen und Weltenwanken eine ungestüme und unkontrollierbare Liebeskraft darstellen. Diese metaphysischen Bilder lassen die Liebe nicht nur als ein Gefühl, sondern als eine alles durchdringende, existenzielle Erfahrung erscheinen. Durch die Darstellungen von Verlust und Hingabe wird die Liebe als eine paradoxe Kraft beschrieben, die sowohl erhebt als auch zerstört, den Geist befreit und zugleich den Willen in Ketten legt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.