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Herbstschauer

Von

Hinter fernen dunklen Häusermassen,
Versinkt die Sonne,
Ein tränenverschleiertes,
Müdegeweintes,
Riesengroßes Menschenauge.
Der Himmel aber leuchtet
Aus schwarzen Wolkenbänken
Matt und fahl,
Schier wie ein totenblasses Menschenkind,
Ein gramgebeugtes,
Das gern, so gerne sterben möchte –
Und leben muß.
Es klingt so schaurig
Wie Krankenstöhnen
Durch kahle Bäume
Das Ächzen des Windes,
Und gelbe, dürre, verfaulende Blätter
Sie tanzen mit ihm einen taumelnden Reigen
Und flüstern und rauschen
Geschichten sich zu,
Sterbenstraurig,
Verwesungsduftig
Und totentanzlustig.
Schwer auf die kalte, starre Erde
Tropft meiner Tränen brennende Saat…
Nicht der Taumel schreiender Lust,
Nicht verspäteter Arbeit eherne Fessel
Tilgt aus der Seele den marternden Stachel,
Den das Bewußtsein
Eines verlorenen,
Achtlos verstreuten Lebens
Qualvoll hineinbohrt.

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Gedicht: Herbstschauer von Felix Dörmann

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Herbstschauer“ von Felix Dörmann entfaltet eine intensive, von Melancholie und Verfall durchzogene Herbstszene, die als Spiegelbild der inneren Zerrissenheit und Lebensmüdigkeit des lyrischen Ichs fungiert. Natur und Emotion verschmelzen hier zu einem stimmungsvollen Bild von Vergänglichkeit, Resignation und der Erkenntnis eines verfehlten Lebens.

Die untergehende Sonne erscheint als „tränenverschleiertes, müdegeweintes Menschenauge“ – ein starkes Bild, das die Landschaft vermenschlicht und Trauer sowie Erschöpfung visualisiert. Auch der Himmel wird zum Symbol der Todessehnsucht, dargestellt als „gramgebeugtes“ Menschenkind, das „gern sterben möchte – und leben muß“. Hier deutet sich die Grundstimmung des Gedichts an: ein Leben im Spannungsfeld zwischen Daseinspflicht und innerem Sterbewunsch.

Der Herbstwind wird wie ein „Krankenstöhnen“ beschrieben, die Natur erscheint von Verfall und Tod geprägt: „gelbe, dürre, verfaulende Blätter“ tanzen im „taumelnden Reigen“ und flüstern „Sterbenstrauriges“. Der „Verwesungsduft“ und die morbide Freude am „Totentanz“ verbinden den Herbst mit der Vorstellung des Endes, aber auch mit einer fast hypnotischen Anziehungskraft für das lyrische Ich.

Im letzten Teil fließt die Melancholie in persönliche Verzweiflung über: Die „brennende Saat“ der Tränen fällt auf die „kalte, starre Erde“ – ein Symbol für das Ausgeliefertsein und die Vereinsamung. Das Bewusstsein eines „verlorenen, achtlos verstreuten Lebens“ brennt wie ein „Stachel“ in der Seele. Kein „Taumel schreiender Lust“ oder „Arbeit“ kann diesen Schmerz überdecken. So wird „Herbstschauer“ zu einem düsteren Bekenntnis zur inneren Leere und Lebenserschöpfung im Angesicht des Vergehens.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.