Wilt du den magetum zieren,
Den got also sere geheret hat,
Das er dur dine liebi einer megde sun wart;
(Eya gedenke we sprichet das!)
So solt du diemúteklich swigen
Und mineclich kumber liden
Und in allen stetten
Alle din tage megdlicher schemede pflegen,
So maht du an der kúscheit genesen.
O maget, was dir dene got wil geben,
Er wil dir ein schoener jungling wesen,
Und wil den himelreigen mit dir treten.
O ich vnselig lamer hunt!
Ich húlze och mit dir.
Prúve wie ich dis meine,
Der luteren megde zal ist kleine.
Fúnf ding sont die lutern megde hân
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Fünf Dinge soll die reine Jungfrau haben“ von Mechthild von Magdeburg entfaltet eine tiefe spirituelle Botschaft, die sich an Jungfrauen richtet und ihnen den Weg zur Erlangung göttlicher Gnade aufzeigt. Es ist ein Appell zur Hingabe und Askese, eine Aufforderung, sich von weltlichen Freuden zu distanzieren und stattdessen Tugenden wie Demut, Leiden und Scham zu kultivieren. Die Autorin stellt diese Eigenschaften als unerlässliche Voraussetzungen für die Vereinigung mit Gott dar, der in diesem Kontext als der „schöne Jüngling“ personifiziert wird.
Im Zentrum des Gedichts steht die Betonung der Demut und des Leidens. Die Zeilen „So solt du diemütig swigen / Und minneclich kumber liden“ fordern die Jungfrau auf, sich in Bescheidenheit zu üben und Schmerz und Leid zu ertragen. Diese Tugenden werden als Mittel zur Läuterung und zur Überwindung weltlicher Versuchungen betrachtet. Die „megdlicher schemede“ (jungfräuliche Scham) wird als weitere wichtige Eigenschaft genannt, die die Jungfrau in allen Lebenslagen bewahren soll. Durch die Pflege dieser Tugenden kann die Jungfrau „an der Küschheit genesen“ – also zur Reinheit und zur Erlösung gelangen.
Die abschließenden Verse enthüllen die tiefe Sehnsucht der Autorin und ihre Erkenntnis der Seltenheit wahrer Reinheit. Die Anrede an die „Maget“ und die Verheißung, dass Gott sich als „schöner Jüngling“ offenbaren und mit ihr „den himmelreigen treten“ wird, unterstreichen das Ziel der Vereinigung mit dem Göttlichen. Die anschließende Selbstanklage, in der sich die Autorin als „vnselig lamer hunt“ (unglücklicher, lahmer Hund) bezeichnet und ihr Bedauern über die geringe Anzahl „der luteren megde“ (der reinen Jungfrauen) ausdrückt, offenbart die menschliche Schwäche und die Schwierigkeit, den idealen Weg zu beschreiten.
Mechthilds Gedicht ist ein Zeugnis mittelalterlicher Mystik, das die Suche nach Gott in der Abkehr von der Welt, in der Hingabe und der Tugendhaftigkeit sieht. Es ist eine Mahnung an die Reinheit und die Notwendigkeit, weltliche Freuden zugunsten eines tieferen, spirituellen Lebens hinter sich zu lassen. Die eindringliche Sprache, die Verwendung von Metaphern und die persönliche Note verleihen dem Gedicht eine tiefe emotionale Wirkung und machen es zu einem bewegenden Zeugnis der Glaubenssehnsucht.
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Lizenz und Verwendung
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